“Mood of the Moment: Gaby Aghion and the House of Chloé”
Jewish Museum, 1109 5th Ave at 92nd St
New York, NY 10128
>  13.10.2023 ‒ 18.02.2024

Der Name von Gaby Aghion (1921-2014) ist weitgehend vergessen; das von ihr 1952 in Paris gegründete Label Chloé ist dagegen weiterhin sehr präsent. In der europäischen Modegeschichte spielt es eine bedeutsame Rolle. Das Label führte lässig-coole Luxus-Konfektion ein, zu einer Zeit, als sich die Mode noch fast ausschließlich um damenhaft-formelle Haute Couture drehte. Zu Chloés Organisationsprinzipien gehörte von Anfang an der ständige Wechsel der Chefdesigner. Aus deren langer Reihe stechen besonders Karl Lagerfeld und Phoebe Philo hervor. Erst durch Chloé wurden sie international bekannt.

„Astoria“-Kleid, Karl Lagerfeld, Frühjahr / Sommer 1967, handbemalter Seidenkrepp. ©  Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York. Foto: Julien T. Hamon.

Die Ausstellung

Die im Oktober 2023 eröffnete Ausstellung “Mood of the Moment: Gaby Aghion and the House of Chloé” im Jüdischen Museum in New York bietet den Anlass, sich näher mit Chloés Geschichte zu beschäftigen. Unter Mode-Experten gilt das Label als „under-studied“.

Die Ausstellung ist die erste Retrospektive des Labels in den USA, Chloés wichtigstem Markt. Zu sehen sind ca. 150 Kleidungsstücke. Dazu kommen Zeichnungen und Dokumente, von denen etliche erstmals öffentlich präsentiert werden. Die meisten Exponate steuerte das Chloé-Archiv in Paris bei. Die Fotos der Ausstellung, die ich während meines kürzlichen USA-Aufenthaltes leider nicht selbst besuchen konnte, hat das Jüdische Museum New York freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Blick in die Ausstellung. © Jewish Museum New York.

Die Pressemitteilung hebt Aghions Bedeutung für die internationale Modeentwicklung hervor. Folgende Thesen liegen der Ausstellung zugrunde:

  • Gaby Aghion hat den Kurs der globalen Modeindustrie verändert.
  • Mit ihrer luftigen Mode befreite sie den Frauenkörper von einengender Kleidung und von restriktiven, zeitgebundenen Einstellungen.
  • Sie bereitete der Luxuskonfektion für eine junge, urbane Klientel den Weg.
  • Ihre neuartigen Organisationsprinzipien brachten Designer-Karrieren ins Rollen. Für Karl Lagerfeld, Stella McCartney und Phoebe Philo war Chloé das Sprungbett in eine internationale Karriere.

Beim Blick auf die Fotos der Ausstellung springt die zurückhaltende, geradezu nüchterne Art der Präsentation ins Auge. Die Kleidungsstücke hängen schlicht auf Bügeln, wodurch ihre unkomplizierte Konstruktion besonders deutlich wird. Auf speziell angefertigte Puppen und aufwendige Szenographie wird verzichtet. Im Mittelpunkt stehen die Entwürfe der verschiedenen Designer im Ablauf der Jahrzehnte; hauptsächlich geht es also um die Entwicklungsgeschichte des Labels.

Blick in die Ausstellung. © Jewish Museum New York.

Biografisches über Gaby Aghion

Gaby Aghion wurde 1921 als Gabriella Anoka im ägyptischen Alexandria in eine jüdische Familie hineingeboren. Vater Anoka leitete eine Zigarettenfabrik. Mit 19 Jahren heiratete Gabriella ihren Jugendfreund Raymond Aghion, dessen ebenfalls jüdische Familie auch in Alexandria lebte. Aghions Vater war Exporteur ägyptischer Baumwolle. Alexandria war damals Heimstatt der größten Gemeinde der jüdischen Diaspora und zugleich die glamouröseste Stadt im Nahen Osten.

Gaby Aghion in der Wüste nahe Alexandria. Foto von Raymond Aghion, ca. 1940-45. © Philippe Aghion / Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York.

Um 1945 verließ das junge Paar Ägypten und ging ins Exil nach Paris. Politisch und kulturell zog es die Aghions zur Künstler- und Existentialisten-Szene auf dem linken Seine-Ufer. Raymond Aghion eröffnete eine Kunstgalerie. Zum Bekanntenkreis des Paars gehörten Künstler wie Picasso und Paul Eluard.

Aus Gabriella wurde Gaby. Die Aghions lebten in komfortablen finanziellen Verhältnissen. Gaby Aghion hätte sich problemlos Haute Couture leisten können. Doch dieser Stil war ihr zu damenhaft, zu steif, zu langweilig. Außerdem war sie nicht der Typ für die zeitintensiven Anproben, die damit verbunden waren. Ihre Freundinnen, die sich keine Original-Couture leisten konnten, trugen Nachahmungen, die in kleinen Ateliers mehr schlecht als recht zurechtgeschneidert wurden. Das Bedürfnis nach einem neuen Stil, nach frischer, weniger kostspieliger Mode lag in der Luft.

Gaby Aghion wurde aktiv. Kurzerhand engagierte sie Näherinnen, quartierte sie im Dienstmädchenzimmer ihrer Wohnung ein, ließ eine Serie einfacher Baumwollkleider in Pink, Blau und Beige fertigen und klapperte damit Pariser Boutiquen ab. Innerhalb weniger Tage hatte sie alles verkauft und neue Aufträge eingesammelt.

Gründung des Labels Chloé

Im Jahr 1952 gründete Aghion das Label Chloé. Üblicherweise gaben Designer ihrem Unternehmen den eigenen Namen. Chanel, Schiaparelli und Dior waren so verfahren, Yves Saint Laurent, Prada und Ralph Lauren hielten es später genauso. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Aghion allerdings nannte ihr Label nach einer Freundin. Damit wollte sie ausdrücken, dass Chloé sich nicht nur um sie – Gaby Aghion ‒ drehen, sondern allgemein das Lebensgefühl moderner junger Frauen widerspiegeln sollte. Sie zog den Finanzberater Jacques Lenoir hinzu; gemeinsam leiteten sie das schnell wachsende Unternehmen. Sie engagierten Näherinnen und Fachkräfte aus aufgelösten Couture-Häusern.

Aghion-Kollektion Herbst / Winter 1958, Schau in der Brasserie Lipp. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York.

Aghion bezeichnete sich selbst als „Kommunistin“, was bei einer so wohlhabenden Frau, wie sie es war, widersinnig erschien, jedoch Ausdruck ihrer linksgerichteten politischen Haltung war. Sie trug durch ihre Prêt-à-Porter-Mode, so hochpreisig sie auch sein mochte, tatsächlich zu einer gewissen ‘Demokratisierung’ der Mode bei. Mit ihrem Angebot besetzte sie eine Nische zwischen der besonders kostspieligen Original-Haute-Couture und den weniger teuren Kopien von Haute Couture. Aghions anspruchsvolle Luxusmode von der Stange erreichte Frauen, die zwar nicht arm waren, sich aber auch keine Haute Couture leisten konnten. Das war lange vor Yves Saint Laurent, dem fälschlicherweise bis heute das Verdienst an der Entwicklung dieses Typs des Prêt-à-Porter zugeschrieben wird.

Die erste Chloé-Kollektion wurde 1956 im Café de Flore, dem Treffpunkt der Pariser Intellektuellen-Szene am Boulevard Saint Germain, vorgeführt. Die traditionellen Couture-Häuser hielten ihre Schauen ausschließlich in den Salons auf dem rechten Seine-Ufer ab. Aghion dagegen zeigte ihre Mode am liebsten in der alltäglichen Umgebung ihrer Kundinnen.

Aghion-Kollektion Frühjahr / Sommer 1960, Schau in der Brasserie Lipp, November 1959. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York.

Auch in anderer Hinsicht beschritt sie neue Wege. So bestand sie darauf, dass die Boutiquen, in denen ihre Mode verkauft wurde, das Chloé-Etikett beibehielten und nicht durch hauseigene Etiketten ersetzten, was damals gang und gäbe war.

Schnell wurde klar, dass sie Unterstützung brauchte. 1957 stellte sie ihren ersten Designer, Gerard Pipart, ein. Danach ging es Schlag um Schlag, immer geleitet von der Vorstellung, dass mit wechselnden Kreativen der Anschluss an die Wandlungen des Zeitgeistes gesichert ist. In Interviews betonte Aghion ‒ bekannt für Witz und Schlagfertigkeit ‒, dass Mode immer frisch wie Salat sein sollte. Knackig, auf keinen Fall welk!

In den 1960er-Jahren heuerte sie junge Freelance-Designer aus der Szene vom linken Seine-Ufer an, darunter Christiane Bailly, Tan Giudicelli, Graziella Fontana, Maxime de la Falaise und Karl Lagerfeld. Die meisten aus dieser Gruppe bildeten später den Kern des französischen Pret-à-Porter-Aufbruchs, bekannt als “Le Style”. Die ersten Chloé-Designer arbeiteten gemeinsam in einem Raum. Mit Lagerfelds Festanstellung und seinen Primadonna-Attitüden änderte sich das. Er wurde 1966 als Kreativdirektor verpflichtet, blieb bis 1983, kehrte Chloé den Rücken und kam von 1992 bis 1997 noch einmal zurück.

„Angkor“-Kleid mit surrealem Einschlag, Karl Lagerfeld, Frühjahr / Sommer 1983. ©  Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York. Foto: Julien T. Hamon.

Die Verpflichtung Lagerfelds war Aghions Bravourleistung. In seine Zeit fiel die Weiterentwicklung des Labels vom Liebling der linken Pariser Intelligenzija zu einer international gesuchten Marke.

„Rachmaninoff“-Kleid, Karl Lagerfeld, Frühjahr / Sommer 1973, handbemalter Seidenkrepp, Knöpfe Nicole Lefort.  © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York. Foto: Julien T. Hamon.

Eigene Boutiquen wurde eröffnet und das erste Chloé-Parfüm lanciert. Lagerfeld war lange Zeit die tragende Säule des Unternehmens. Mode-Ikonen wie Jacqueline Onassis, Brigitte Bardot und Grace Kelly trugen in den 1970er-Jahren seine Entwürfe für Chloé.

Die Reihe der Designer, die seit Lagerfelds Abgang als Kreativdirektoren bei Chloé wirkten, ist lang: Guy Paulin, Peter O’Brien, Martine Sitbon, Stella McCartney, Phoebe Philo, Paulo Melim Andersson, Hannah MacGibbon, Clare Waight Keller, Natacha Ramsay-Levi, Gabriela Hearst. Im Jahr 2023 wurde die 1981 in Deutschland geborene Chemena Kamali berufen.

Kleid, Martine Sitbon, 1990. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York, Foto Julien T. Hamon.

Clare Waight Keller, 2016. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York, Foto Julien T. Hamon.

 

Aghion hatte ein Gespür für Talente. Zwar stachen nicht alle Designer durch eine unverwechselbare Handschrift hervor, doch in ihrer Gesamtheit stärkten sie das Image des Labels und brachten es voran.

In den 1980er Jahren, einer Phase grundlegender Umstrukturierung der Branche, verkauften Aghion und Lenoir ihr Unternehmen an Alfred Dunhill Ltd. Heute gehört Chloé zu Richemont, dem drittgrößten europäischen Luxusgüterkonzern nach LVHM und Kering. Auch nach dem Verkauf ihres Unternehmens gab Aghion weiterhin die ästhetische Grundrichtung vor.

Chloé wurde auf dem Höhepunkt des französischen Existentialismus gegründet. Heute beherrscht der Klimawandel die Diskussion. Unter der Ägide von Kreativdirektorin Gabriela Hearst (2020-2023) wurde Chloé als erstes Luxusmodehaus als «B-Corporation» zertifiziert. Diese Auszeichnung wird von der Non-Profit-Organisation «B Lab» vergeben und setzt hohe Transparenz sowie Engagement für Nachhaltigkeit und soziale Aspekte voraus. Hearst hat den „Nama Sneaker“ entwickelt, der zu 40 Prozent aus recycelten Materialien besteht. Ihr Wirken bei Chloé wird allerdings nicht uneingeschränkt positiv beurteilt. Der Modejournalist Alfons Kaiser meint, dass Hearst den verhaltenen Charme und die Leichtigkeit der Chloé-Ästhetik nie richtig verstanden habe.

Gabriela Hearst in Kooperation mit Sheltersuit, Herbst / Winter 2021. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York, Foto Julien T. Hamon.

Poncho, Gabriela Hearst, Herbst / Winter 2021. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York, Foto Julien T. Hamon.

Der Chloé-Look

Gaby Aghions ließ sich von der Straßenmode junger Pariserinnen inspirieren. Chloé verwob Bestehendes mit Neuem und war damit anderen Labels voraus. Es wurde bekannt für unangestrengt wirkende Luxusmode mit gelegentlich avantgardistischem Einschlag, für witzige Accessoires und stand für einen lässigen „Boho-Chic“; Chloé war „hip“. Man kann diesen Stil auch als leicht spielerisch bezeichnen.

Bluse aus Seidenkrepp, Natacha Ramsay-Levis, 2018. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York, Foto Julien T. Hamon.

Lagerfeld hat Entscheidendes zur Entwicklung des  Chloé-Stils beigetragen. Er verzichtete auf Kleiderfutter, Polsterung und breite, umgeschlagene Säume. Modetheoretiker werten das als symbolische Vertreibung der steifen 1950er-Jahre mit ihrer Kleiderstärke und Verklemmtheit. Die neue Mode stand für Freiheit und Sexualität und Aufbruch der Jugend.

Bluse, Karl Lagerfeld, ca. 1970-80. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York. Foto: Julien T. Hamon.

Zu den Kennzeichen des Chloé-Designs gehört bis heute eine Hinwendung zu warmen, sandigen Farbtönen mit leichter Pink-Tönung. Das waren die Farben der Wüste bei Alexandria aus Aghions Jugend. Alle Chloé-Kreativdirektoren griffen diese Farbpalette auf.

Bluse, Phoebe Philo, Frühjahr / Sommer 2002. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York. Foto: Julien T. Hamon.

Ensemble, Hannah MacGibbon, Frühjahr / Sommer 2009. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York. Foto: Julien T. Hamon.

In der Ausstellung ist ein ganzer Saal diesen Wüstentönen gewidmet. Zu sehen sind ausschließlich Blusen in femininem Stil, wie sie Aghion auch in ihrer persönlichen Garderobe bevorzugte.

Blick in die Ausstellung; Blusen in Wüstentönen. © Jewish Museum New York.

In den 1970er-Jahren traten mit Sonia Rykiel und Dorothée Bis in Paris junge Pret-à-Porter-Designerinnen auf den Plan, die sich an die gleiche Klientel wie Chloé wandten, doch sie waren keine ernsthafte Konkurrenz für Aghions Label. Auch heute noch ist Chloé eines der wichtigsten französischen Luxus-Labels. Es ist allerdings festzuhalten, dass es nicht mehr so absolut die Szene beherrscht wie zu Lagerfelds frühen Zeiten und dann noch einmal um die Jahrtausendwende, als Stella McCartney (1997-2001) und danach Phoebe Philo (2001-2007) das Ruder in die Hand nahmen. McCartney verpasste Chloé eine stilistische ‘Frischzellenkur’.

Hemd, Stella McCartney, 2001. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York. Foto: Julien T. Hamon.

Bluse, Stella McCartney, 2001. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York. Foto: Julien T. Hamon.

Ihre Nachfolgerin Phoebe Philo machte mit Vintage-Looks, besonders luftigen Entwürfen und der Paddington-Handtasche – einer It-Bag, getragen von Sienna Miller und Kate Moss – Furore.

Jumpsuit, Phoebe Philo, Frühjahr / Sommer 2003. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York. Foto: Julien T. Hamon.

Chiffonkleid, Phoebe Philo, Herbst / Winter 2004. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York. Foto: Julien T. Hamon.

Der Bekanntheitsgrad des Labels ist noch immer hoch, nicht zuletzt, weil auch andere Show-Größen wie Angelina Jolie und Madonna Chloé tragen. Die USA sind für Chloé mit über 60 Prozent des Umsatzes heute der wichtigste Markt.

Chloé-Kollektion, Gabriela Hearst, Herbst / Winter 2023-24 im New Yorker Luxuskaufhaus Bergdorf Goodman. Foto © Rose Wagner.

Unsichtbar jüdische Wurzeln

Ob für die Emigration der Aghions um 1945 nach Frankreich die bereits lange vor der Staatsgründung Israels einsetzenden antijüdischen Ausschreitungen auf der arabischen Halbinsel und in Ägypten ausschlaggebend waren, ist nicht bekannt. Gaby Aghion hat sich dazu nie öffentlich geäußert, auch nicht zu ihrem Glauben. Eine Zurückhaltung in dieser Hinsicht ist bei vielen jüdischen Designern und Modejournalisten zu beobachten. Die einzige, die öffentlich gegen die Durchführung von Modeschauen an hohen jüdischen Feiertagen protestierte, war Suzy Menkes.

Für das Jüdische Museum in New York ist der jüdische Hintergrund von Gaby Aghion relevant, weil er den Ausgangspunkt für die Ausstellung in dieser Institution liefert. Ein großer Teil ist Aghions Jugend in Alexandria gewidmet, obwohl sich daraus wenig offensichtlich Jüdisches erschließt.

Gaby Aghion in der Wüste nahe Alexandria. Foto von Raymond Aghion, ca. 1940-45. © Philippe Aghion / Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York.

Blick in die Ausstellung. © Jewish Museum New York.

Es wird jedoch deutlich, dass Aghion, wie der größte Teil der jüdischen Diaspora, eine säkulare Sicht auf die Welt und die Religion hatte.

Von den neun Designern, deren Entwürfe in der Schau zu sehen sind, ist nur Stella McCartney jüdisch, was sich in ihrem Design natürlich nicht niederschlägt. Denn ein Rückschluss auf die Glaubensrichtung eines Designers ist unmöglich, wenn nicht gerade offensichtliche religiöse Symbolik eingesetzt wird.

Blick in die Ausstellung. © Jewish Museum New York.

Blick in die Ausstellung. © Jewish Museum New York.

Vordergründig spielt das jüdische Element in der Ausstellung keine tragende Rolle. Es ist allerdings als eine Art hintergründiger Subtext immer das Wissen präsent, dass es eine junge jüdische Frau war, die – noch vor Yves Saint Laurent – der Luxuskonfektion den Weg bereitete, die einen neuen, luftigen Stil in die Mode einführte und die durch die spezifische Organisationsform ihres Unternehmens neuen Generationen von Designern ein Sprungbrett in die internationale Wahrnehmung lieferte.

Das im Jahr 1904 in New York gegründete Jüdische Museum ist das Älteste seiner Art in den USA. Seine Sammlung, vor allem an zeremoniellen Objekten und Kunst, ist beträchtlich. Seit einigen Jahren versucht das Museum neue Wege zu gehen, den Blick auf das Judentum zu erweitern und eine breitere Öffentlichkeit durch die Setzung neuer Themen anzusprechen.

So widmete es 2014 der Kosmetik-Unternehmerin Helena Rubinstein eine Schau, 2016 dem Modedesigner Isaac Mizrahi und 2019 der Kunstsammlerin Edith Halpert, die sich um amerikanische Volkskunst verdient machte. Mit der Chloé-Ausstellung gibt sich das Museum einen pop-kulturellen Anstrich, der auch dazu dienen soll, ein jüngeres Publikum anzuziehen.

Ensemble, Natacha Ramsay-Levi, 2018. © Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York, Foto Julien T. Hamon.

 

Quellen:
Donadio, Rachel: This Woman’s Work, in: Vogue, 8.8.2021, S. 54.

Friedman, Vanessa, Lakin, Max: In Chloé Show, an Unseen Legacy With Quiet Jewish Roots, in: The New York Times, 19.10.2023, https://www.nytimes.com/search?query=Gaby+Aghion, 26.10.2023.

Hess, Jane: Designer Recluse Prefers Intellect, in: Toronto Star, 27.8.1981, S. B18.

Horwell, Veronica: Obituary: Gaby Aghion: Founder of the Chloe Fashion Label who Led the Way with Ready- to-Wear Collections, in: The Guardian, 29.09.2014, S. 35.

Kaiser, Alfons: Wie eine Familienaufstellung das wahre Leben in die Mode bringt, in: FAZ Magazin Oktober 2023, S. 12.

The Jewish Museum: Press Release, 3.4.2023, https://thejewishmuseum.org/press/press-release/mood-of-the-moment-gaby-aghion-and-the-house-of-chloe-announcement, 15.4.2023.

The Times: Gaby Aghion; Founder of Chloe Who Started a Pret-à-Porter Revolution in Paris Fashion and Discovered Karl Lagerfeld, 30.9.2014, S. 50.

Worthington, Christa: Chloé: Life After Lagerfeld, in: WWD, 21.6.1984, S. 4.

Titelfoto: Chiffonkleid, Clare Waight Keller, Frühjahr / Sommer 2016.
© Chloé Archive Paris / Jewish Museum New York. Foto: Julien T. Hamon.