Rosalynn Carter (1927-2023) war eine ungewöhnliche First Lady (1977-1981), konventionell und unkonventionell zugleich. Sie modernisierte das Büro der First Lady und setzte seine dauerhaft gesicherte Finanzierung durch. Ihr Kleidungsstil wurde als provinziell empfunden und war eine Enttäuschung für die amerikanische Modebranche. Ihre Einmischung in die Politik löste Kritik aus; ihre Beliebtheit hielt sich in Grenzen.

Heute wird sie wesentlich milder beurteilt als während ihrer Zeit im Weißen Haus.

Offizielles Porträt Rosalynn Carters, Weißes Haus, 1977. © Library of Congress.

Jimmy und Rosalynn Carter kamen 1977 aus Georgia ins Weiße Haus. Der Erdnuss-Farmer Carter war von 1971 bis 1975 demokratischer Gouverneur des Südstaates. Im Jahr 1976 gewann er die Präsidentschaftswahl gegen den Republikaner Gerald Ford, der das Amt 1974 nach dem Rücktritt Richard Nixons wegen des Watergate-Skandals übernommen hatte.

Vor dem Hintergrund eines politischen Stimmungswandels in den USA, großen Problemen mit Kriminalität und Drogen sowie einer Rezession, wirkte der evangelikale Christ Carter wie der personifizierte Gegensatz zu Nixon und Ford. Er stellte seinen Wahlkampf unter das Motto „ein Mensch wie du und ich“ und betonte Werte wie Rechtschaffenheit, Familie, Bescheidenheit und Gerechtigkeit. Um seiner Vorstellung eines ‘Herrn Jedermann’ im Weißen Haus Ausdruck zu verleihen, bestand Jimmy Carter beispielsweise darauf, sein Gepäck selbst zu tragen, er zeigte sich in Strickjoppe und ließ die Öffentlichkeit an seiner Frömmigkeit teilhaben.

Rosalynn Carter und die Mode

Rosalynn Carter verkündete unmittelbar nach dem Wahlsieg ihres Mannes, außer ihrer Nähmaschine kein weiteres Möbelstück mit ins Weiße Haus nehmen zu wollen. Das schlug hohe Wellen. Heimschneiderei passte zwar in die Zeit der Rezession, vertrug sich aber nicht mit den Erwartungen an eine First Lady. Das Motto „ein Mensch wie du und ich“ schien doch nicht recht zur Gattin des Präsidenten des wichtigsten Landes der westlichen Welt zu passen.

Eine weitere Ankündigung stellte sogar noch die Nähmaschine in den Schatten. Zum großen Ball anlässlich der Amtseinführung des 39. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika im Januar 1977 wollte sie in dem Gewand erscheinen, das sie bereits 1971 bei der Wahlparty in Georgia getragen hatte. Das bodenlange Konfektionskleid aus synthetischem Chiffon – Label Mary Matise – beschäftigte monatelang die Öffentlichkeit, denn es handelte sich keinesfalls um eine Petitesse und warf ein erhellendes Licht auf diese First Lady.

Ballkleid Rosalynn Carters zur Amtseinführung 1977. © National Museum of American History.

Was eine First Lady am Tag der Amtseinführung trägt, wird ein Teil der visuellen Erzählung über die neue Präsidentschaft und geht in die Geschichte ein. Ihre Ballrobe vermittelt nach allgemeiner Auffassung ein Bild über Grundideen der kommenden Regierung und ist nicht nur von hoher symbolischer, sondern auch von politischer Bedeutung. Das ‘gebrauchte’ Ballkleid von Rosalynn Carter signalisierte Sparsamkeit, Anspruchslosigkeit, Desinteresse an Mode und Antipathie gegen Glamour.

Seit fast 200 Jahren ist der Ball zur Amtseinführung eines neuen Präsidenten der gesellschaftliche Höhepunkt der gesamten Wahlperiode. Meist finden sogar mehrere Bälle parallel für Tausende von eingeladenen und zahlenden Gästen statt. Traditionell werden alle Bälle kurz vom Präsidentenpaar mit einem Tanz beehrt.

Präsident Jimmy Carter und First Lady Rosalynn 1977 beim Ball zur Amtseinführung. © National Archives.

Die Robe muss neu, festlich und aussagekräftig sein. Gegen dieses ungeschriebene präsidiale Modegesetz hat bis heute außer Rosalynn Carter noch keine First Lady verstoßen. Michelle Obama und Jill Biden zeigten sich zwar im Laufe ihrer First-Ladyschaft gelegentlich in Kleidungsstücken, die sie bereits zuvor einmal getragen hatten. Nachhaltigkeit! Zum Ball zur Amtseinführung ihrer Präsidenten-Gatten erschienen beide jedoch in einem Abendkleid, dessen Designer, Schnitt und Material bis zum letzten Moment geheimgehalten wurde. Das ist Teil der ‘Gesamtinszenierung Amtseinführung’.

Rosalynn Carters Garderoben-Idee war – gemessen an der Tradition und den Erwartungen der Öffentlichkeit – geradezu umstürzlerisch und rief über parteipolitische Grenzen hinweg Unmut hervor, der sich in einer Welle von Leserbriefen an die Zeitungen des Landes niederschlug. Die First Lady handelte sich den Titel einer „Secondhand Rose“ ein.

Auch das Echo aus der Modebranche war vernichtend. Die bekanntesten Designer der Zeit – Mollie Parnis, Halston, Bill Blass, Oscar de la Renta – brachten ihre Verärgerung zum Ausdruck. Von einer First Lady wurde aktive Unterstützung der Industrie erwartet. Sogar Eleanor Roosevelt, First Lady von 1933 bis 1945 und nicht als mode-affin bekannt, hatte sich dem nicht verweigert. Rosalynn Carter lenkte schließlich – ein wenig – ein. Sie bestellte bei Dominic Rompollo, einem kaum bekannten Designer in Manhattans Konfektionsviertel, einen ärmellosen, Kaftan-ähnlichen Mantel für ihr Abendkleid, um es aufzufrischen.

Dominic Rompollo stattete die First Lady auch für die öffentliche Vereidigungszeremonie vor dem Kapitol aus. Süffisant charakterisierte die Modejournalistin Nina S. Hyde ihn in der Washington Post als talentierten Designer, der gute Ideen anderer in Kleidungsstücke zu günstigen Preisen umsetzen könne.

Jimmy und Rosalynn Carter gehen nach der Vereidigungszeremonie am 20. Januar 1977 zu Fuß vom Kapitol zum Weißen Haus. © National Archives.

Heute ist Rosalynn Carters umstrittenes Ballkleid im Museum für nationale Geschichte in Washington D.C. zu sehen, zusammen mit den Ballroben anderer Präsidentengattinnen. Das Foto zeigt Carters Gewand neben dem ihrer Nachfolgerin, Nancy Reagan, First Lady von 1981-1989. Deren Robe wurde von James Galanos kreiert, einem Designer mit dem Image eines ‘Hofschneiders’ für die Reichen und Mächtigen, das er vor allem seinen Entwürfen für Nancy Reagan verdankte.

Ballroben von Rosalynn Carter (links) und Nancy Reagan im Museum für nationale Geschichte in Washington D.C. © Rose Wagner.

Seit Helen Taft, First Lady von 1909 bis 1913, ihr Amtseinführungs-Abendkleid dem Museum stiftete, ist die Sammlung der First-Ladys-Abendroben ein Publikumsmagnet.

Blick in die „First Ladies Hall“ im National Museum of American History in Washington D.C. Von links nach rechts Abendroben für den Ball zur Amtseinführung von Hillary Clinton, Laura Bush, Michelle Obama, Melania Trump. © Rose Wagner.

Im Laufe ihrer vier Jahre im Weißen Haus wurden Rosalynn Carters Auftritte gefälliger; sie blieb aber ihrem Stil treu: Konfektion, Hemdblusenkleider, meist hochgeschlossen, überwiegend in Pastellfarben, gelegentlich mit Rüschen, kein Schmuck.

Präsident Jimmy Carter und First Lady Rosalynn Carter, 1978. © National Archives.

Auch wenn sie keine Couture trug, so war doch immerhin alles von amerikanischen Labels und in den USA produziert. Die Modebranche konnte insofern beruhigt sein. Im Hintergrund hielt sich jedoch ein Grummeln, auch weil Rosalynn Carter keine Anstalten machte, gutgemeinten Empfehlungen von Designern, die geehrt gewesen wären, die First Lady zu beraten, zu folgen.

Jimmy und Rosalynn Carter posieren in formeller Kleidung bei einem Staatsbankett für den jugoslawischen Staatspräsidenten Josip Broz Tito , 1978. © National Archives.

Die Branche musste sich damit abfinden, dass diese First Lady keine neuen Modetrends zur Ankurbelung des Konsums setzen würde. Dabei hatte ohnehin niemand erwartet, dass die praktizierende Baptistin Carter jemals die Liste der am besten gekleideten Frauen zieren würde wie einst Jackie Kennedy, First Lady von 1961 bis 1963.

Präsident Jimmy Carter und First Lady Rosalynn Carter in Abendgarderobe auf dem Weg zu einem Staatsbankett, 1978. © National Archives.

Ein wenig mehr modische Spritzigkeit wäre wünschenswert gewesen. Auf manche Beobachter wirkte Rosalynn Carters Kleidungsstil wie der einer Sekretärin. Sie war adrett gekleidet, was als bieder und hausbacken wahrgenommen wurde.

Präsident Jimmy Carter und First Lady Rosalynn 1979 im Weißen Haus, im Hintergrund ein Porträt George Washingtons. © National Portrait Gallery.

Da während Carters Präsidentschaft die Zahl der Festlichkeiten und gesellschaftlichen Zusammenkünfte im Weißen Haus reduziert und das Leben insgesamt bescheidener wurde – keine Spirituosen, Drosselung der Heizung, praktizierte Frömmigkeit –, passte am Ende alles gut zusammen. Der Kleidungsstil der First Lady – wie auch der des Präsidenten – spiegelte ihre persönliche Grundhaltung und die der Regierung wider.

Rosalynn Carter und die Politik

Von größerer gesellschaftlicher Relevanz als ihre Garderobe waren Rosalynn Carters politische Aktivitäten. Keine First Lady vor ihr – von Eleanor Roosevelt abgesehen – mischte sich so aktiv in die Politik ein. Rosalynn Carter ging jedoch noch einen Schritt weiter als Eleanor Roosevelt. Sie nahm an Kabinettssitzungen und Verhandlungen teil, beispielsweise 1978 in Camp-David, wo es um ein Abkommen zwischen Israel und Ägypten zur Friedenssicherung im Nahen Osten ging.

Jimmy und Rosalynn Carter 1978 in Camp David. © National Archives.

Ein Novum waren auch die zahlreichen Auslandsreisen der First Lady in diplomatischer Mission. Sie hielt an Stelle des Präsidenten Reden und Ansprachen und setzte sogar einen festen wöchentlichen Gesprächstermin bei ihm durch. Dieses Privileg wurde sonst nur wichtigen Kabinettmitgliedern und hochrangigen Beratern eingeräumt. Das Signal, das von diesen Arbeitstreffen ausging, war unmissverständlich: diese First Lady gehört zum engsten Beraterkreis des Präsidenten.

Präsident Carter beim formellen wöchentlichen Lunch mit First Lady Rosalynn Carter, 1977. © National Archives.

Das rief bei politischen Kommentatoren Stirnrunzeln hervor. Die New York Times fragte: Wer hat Rosalynn Carter in ein politisches Amt gewählt? Wo ist die legitimatorische Basis für ihre politischen Aktivitäten? Jimmy Carter erklärte, seine Frau sei eine „Erweiterung meiner selbst“. Daraus bezog er die Rechtfertigung, sie mit Aufgaben zu betrauen, die weit über das hinausgingen, was allgemein als Zuständigkeitsbereich einer First Lady verstanden wurde.

Auf manchen Gebieten fand Rosalynn Carter durchaus öffentliche Zustimmung, jedenfalls so lange keine verfassungsrechtlichen Fragen berührt wurden und sie keine Anstalten machte, sich in Gesetzgebungsverfahren einzuschalten. Sie unterstützte engagiert die Bürgerrechtsbewegung und trat für die Gleichberechtigung von Frauen ein. Eines ihrer größten Verdienste ist ihr langjähriges entschiedenes Eintreten für die Belange psychisch Kranker und geistig Behinderter. Sie leitete die „President´s Commission on Mental Health“ und trug ihre Erkenntnisse im Kongress vor.

Rosalynn Carter vor einem Parlamentsausschuss, 1979. © National Archives.

Professionalisierung des Büros der First Lady

Rosalynn Carter modernisierte das Büro der First Lady. Sie engagierte einen Unternehmensberater; die Aufgabereiche wurden neu zugeschnitten, die Abläufe gestrafft.

Rosalynn Carter mit ihrer persönlichen Referentin Madeline McBean, 1977. ©  National Archives.

Jimmy Carter hatte im Rahmen seiner Sparpolitik eine Verringerung des Personals im Weißen Haus angeordnet. Rosalynn Carters Mitarbeiterteam war daher etwas kleiner als das ihrer Vorgängerin Betty Ford, First Lady von 1974 bis 1977, die über 25 Beschäftigte verfügen konnte. Rosalynn Carter erreichte jedoch die Einrichtung einer hochbezahlten Stabsstelle für das Büro der First Lady und schaffte es, die Geschäftsräume von der Peripherie des Weißen Hauses in das Zentrum zu verlegen. Sie setzte auch die Teilnahme ihrer Mitarbeiterinnen an Dienstbesprechungen wichtiger Ministerien zur Sicherung des Informationsflusses durch.

Die Nachfolgerinnen Rosalynn Carters profitieren noch heute davon, dass sie die dauerhafte, gesetzlich abgesicherte Finanzierung der First-Lady-Verwaltung erwirkte.

Die Amerikaner und ihre First Ladys

Die Amerikaner haben ein zwiespältiges Verhältnis zu den Gattinnen ihrer Präsidenten. First Ladys sollen ihre Aufgaben fehlerfrei und in überzeugender Weise erfüllen. Diese Aufgaben sind allerdings nicht eindeutig definiert. Einigkeit herrscht nur darüber, dass eine First Lady die USA im In- und Ausland respektabel vertreten und eine charmante Gastgeberin im Weißen Haus sein soll. Jede First Lady, die sich sichtbar in politische Angelegenheiten einmischt, muss mit Gegenwind rechnen. Selbst Eleanor Roosevelt war davor nicht gefeit, und Hillary Clinton, First Lady von 1993 bis 2001, schlug wegen ihres selbstbewussten Auftretens auf der politischen Bühne mindestens so viel Unmut entgegen wie zuvor Rosalynn Carter.

Die Rolle einer First Lady unterliegt jedoch auch einer ständigen Anpassung, da sich die Vorstellungen über die ‘First-Ladyschaft’ ändern; das gilt ebenso für die Präsidentschaft selbst. Die Erwartungen hängen immer auch von den jeweiligen Zeitläufen und den konkreten gesellschaftlichen Entwicklungen ab.

Als First Lady war Rosalynn Carter nicht sonderlich beliebt. Die Beliebtheitsraten des Präsidenten waren noch schlechter. Die Idee von ‘Herrn und Frau Jedermann’ im Weißen Haus kam in der breiten Öffentlichkeit nicht an. Zudem war die Regierungszeit Jimmy Carters von außenpolitischen Problemen geprägt, vor allem von der Geiselnahme amerikanischer Diplomaten im Iran. Außerdem lief die Wirtschaft nicht rund.

Jimmy Carter wurde nicht wiedergewählt. Der Republikaner Ronald Reagan rückte 1981 als 40. Präsident der Vereinigten Staaten mit Gattin Nancy ins Weiße Haus ein und blieb bis 1989. Mit den Reagans zog wieder Glamour ein.

Zurück in Georgia engagierten sich die Carters für humanitäre Fragen und Menschenrechte. Jimmy Carter erhielt 2002 den Friedensnobelpreis. Rosalynn Carter blieb eine der wichtigsten Stimmen für die Rechte psychisch Kranker und geistig Behinderter. Die Carters galten zuletzt als das beliebteste Ex-Präsidentenpaar, auch weil sie nicht wie andere versuchten, ihre Zeit im Weißen Haus zu versilbern.

Rosalynn Carter starb am 19. November 2023 im Alter von 96 Jahren in ihrem Heimatort Plains in Georgia.