A Dark, A Light, A Bright: The Designs of Dorothy Liebes
Cooper Hewitt, Smithsonian Design Museum, New York
> 7.7.2023 – 4.2. 2024

Als weithin noch blasse Pastelltöne vorherrschten, brachte die amerikanische Weberin Dorothy Liebes (1897-1972) Farbe ins Textile. Statt monotoner Seidenstores hängte sie farbige Jalousien mit eingewebten Bambusstäbchen vor die Fenster. Ihre Heimtextilien und Kleiderstoffe fielen durch griffige Strukturen, Farbkontraste und die Kombination natürlicher und synthetischer Fasern auf. Liebes vereinte Handwerk und Industrie. Ihr Wirken erstreckte sich auf Mode, Film und Innenausstattung. In den USA galt sie als die größte Weberin ihrer Zeit. Heute ist sie nahezu vergessen.

Porträt von Dorothy Liebes, 1938. Foto von Louise Dahl-Wolfe. © Cooper Hewitt, Smithsonian Institution.

Auch mir war ihr Name unbekannt, bis ich in New York die Ausstellung „A Dark, A Light, A Bright: The Designs of Dorothy Liebes“ besuchte. Der Titel leitet sich von Liebes’ Vorstellung für eine gelungene Farbkombination ab. Gezeigt werden mehr als 175 Objekte aus vier Jahrzehnten, darunter Kleider, Heimtextilien, Musterkarten und Fotografien.

Blick in die Ausstellung. Vorne rechts Abend-Ensemble von Bonnie Cashin, Stoff von Dorothy Liebes. Links daneben Design für eine Jalousie. Foto © Rose Wagner

Liebes’ Karriere währte von den 1930er- bis zum Ende der 1960er-Jahre. Wenige Weber und Designer übten einen solchen Einfluss auf Textur und Kolorierung von Stoffen aus wie sie. Die Verbindung von lebhaften Farben, Griffigkeit, Metallfäden und Lurex, die den Geweben einen metallischen Schimmer verliehen, war als „Liebes Look“ bekannt. Er ist untrennbar mit der modernen amerikanischen Ästhetik verbunden und Teil der amerikanischen Textilgeschichte.

Typischer „Liebes Look“, Musterkarte, ca. 1945. Foto Matt Flynn. © Cooper Hewitt, Smithsonian Institution.

Weithin bekannt wurde sie durch zahlreiche Auftritte in populären Fernseh- und Radio-Shows. Architektur- und Modemagazine berichteten über sie. Sie schien omnipräsent. Auf den alten Fotos in der Ausstellung wirkt sie wie eine Mischung aus Doris Day und Liselotte Pulver, sympathisch, nahbar und mit positiver Ausstrahlung.

Sie arbeitete mit vielen Großen ihrer Zeit zusammen, darunter die Modedesignerin Bonnie Cashin (1908-2000), der Architekt Frank Lloyd Wright (1867-1959) und Produktdesigner Henry Dreyfuss (1904-1986), um nur einige zu nennen. Warum die Namen ihrer Kooperationspartner heute noch bekannt sind, der von Liebes aber nicht, ist schwer zu verstehen.

Leben und Weben

Sie wurde als Dorothy Wright in Santa Rosa, Kalifornien, geboren. Nach dem Studium von Kunsterziehung, Textildesign und Architektur in Berkeley und New York, ließ sie sich in Hull House, einem Zentrum sozialreformerischer Initiativen in Chicago, zur professionellen Weberin ausbilden. Sie unternahm ausgedehnte Reisen nach Europa, Asien und Mittelamerika, um traditionelle Webtechniken kennenzulernen. Schon früh zeigte sich ihr Unternehmergeist. Noch während des Studiums verkaufte sie über das New Yorker Luxuskaufhaus Saks Fifth Avenue selbstgewebte Baby-Decken.

Blick in die Ausstellung. Dorothy Liebes’ erster Webstuhl, 1920, im Hintergrund Garne aus ihrem Studio. © Cooper Hewitt, Smithsonian Institution.

Ihre 1928 geschlossene Ehe mit Leon Liebes, einem Unternehmer und Erben eines großen Department Stores in San Francisco, hielt nicht lange. Dorothy Liebes sagte später, ihrem Mann habe missfallen, dass eine Frau der oberen Gesellschaftsschicht, wie sie es war, Weben nicht nur als Hobby betreiben, sondern es explizit in den Mittelpunkt einer außerhäuslichen beruflichen Karriere stellen wollte. 1948 heiratete sie Relman Morin (1907-1973), einen liberalen Journalisten und zweifachen Pulitzer-Preisträger.

Ironischerweise erhielt sie gerade aus dem Kreis der Gäste ihrer gemeinsamen Wohnung mit Leon Liebes die ersten Aufträge. Ihre ungewöhnlichen Heimtextilien waren den Besuchern ins Auge gefallen. Einer der ersten Aufträge war die Bestückung des Büros des Bürgermeisters von San Franciscos mit Gardinen. Es folgte die kalifornische Börse, und jeder neue Auftrag zog bald einen weiteren nach sich.

Ihr erstes Studio eröffnete sie 1930. Viele der damals angeworbenen Weberinnen und Weber sollten noch jahrzehntelang für sie arbeiten und ihr den Rücken für die vielfältigen Aktivitäten im In- und Ausland, die sie bald entfaltete, freihalten. Manche ihrer Weber waren in den Entwurfsprozess eingebunden, andere führten selbstständig und eigenverantwortlich große Aufträge aus. Ohne das qualifizierte und engagierte Personal hätte Liebes ihr Geschäft nicht jahrzehntelang so erfolgreich führen können.

Dorothy Liebes (hinten rechts) um 1950 mit Webern in ihren Studio in New York, ca. 1957. © Cooper Hewitt, Smithsonian Institution.

Im Jahr 1934 gründete sie das Unternehmen „Dorothy Liebes Design, Inc.“ und nahm eine zweite Weberei in San Francisco in Betrieb. Ab 1952 war sie auch in New York mit einem großen Studio präsent. Die Werkstätten in San Francisco befanden sich in der Nähe von Chinatown. Etliche von Liebes’ Webern hatten chinesische Wurzeln. Die Designerin ermöglichte es den Müttern unter ihren Beschäftigten, ihre Kinder mit zur Arbeit zu bringen.

Dorothy Liebes mit Weberin Louise Fong und Kind, 1944. Im Hintergrund handgewebte Gadinenstoffe. Dorothy Liebes Papers, Archives of American Art, Smithsonian Institution. Digital ID: 10368. © Ungeklärter Copy-Right-Status.

In ihren Studios gab es keine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Einwanderungsstatus, Hautfarbe, Herkunft oder sexueller Orientierung – was für die Zeit nicht selbstverständlich war.

Innenausstattung

In den 1930er-Jahren kamen aus Liebes’ Werkstätten hauptsächlich handgewebte Vorhänge, Jalousien, Raumteiler und Polsterstoffe. Diese Unikate waren oft aus luxuriösen Materialien und mit filigranen Verzierungen – etwa herabhängenden Fadenschlingen – versehen. Der Pflegeaufwand war hoch. Auch deshalb beauftragten vor allem gutsituierte Kunden mit geschultem Hauspersonal Liebes mit der Ausstattung ihrer Häuser. So wie Doris Duke (1912-1993), eine Kunstsammlerin und Mäzenin, die als reichste Frau der Welt galt und 1937 ihre Residenz in Honolulu von Liebes mit Textilien ausstaffieren ließ.

Zu dieser Zeit herrschte in der Architektur noch ein strenger Modernismus. Offene, minimalistische Innenräume mit großen Glasfenstern in Stahlrahmen dominierten. Liebes gehörte zu denen, die diese vielfach als kalt empfundene Architektur atmosphärisch wärmer gestalten wollten. Ihre Raumtextilien brachten nicht nur Lichtschutz, sondern auch Farbe, Fülle und Behaglichkeit in die Räume.

Unter Liebes’ Auftraggebern waren die Vereinten Nationen, Hotelketten und große Reedereien. Von Henry Dreyfuss um Unterstützung gebeten, webte sie für den Persian Room, einem legendären Cocktail-Treffpunkt im New Yorker Plaza Hotel, dunkelblaue und grüne Portieren. Durch integrierte Metallfäden und winzige Glühbirnen trugen sie zur magischen Atmosphäre des Raumes bei.

Detailblick auf eine industriell gefertigte Nachbildung der Portieren für das Plaza Hotel, New York, ca. 1960. Foto Jaclyn Nash. © Cooper Hewitt, Smithsonian Institution.

Farbspiele

Liebes’ Studios waren Produktionsstätten und Versuchsanstalten zugleich. Sie experimentierte mit Materialien, die bis dahin beim Weben nicht gebräuchlich waren, wie Federn, Bambus, Schilf, Cellophan und Metallstreifen. Vieles davon hatten sie und ihre Weber in Chinatown aufgestöbert. Die Verwendung von ungewöhnlichen Materialien war auch den Lieferschwierigkeiten und Versorgungsengpässen während der Großen Depression sowie der strengen Textilrationierung – sie wurde bereits Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verhängt – geschuldet. Durch ihre Versuche entwickelte Liebes ein Gespür für die spezifischen Gebrauchseigenschaften und optimalen Anwendungsfelder von Fasern und Stoffen.

Farbe hatte für sie etwas Magisches. Manche ihrer ungewöhnlicheren Zusammenstellungen – etwa Grün zu Blau oder Rot zu Pink – gehen auf chinesische Einflüsse zurück, in diesem Fall auf die in Chinatown beliebten farbigen Lackarbeiten.

Dorothy Liebes, Musterkarte, ca. 1945. Foto Matt Flynn. © Cooper Hewitt, Smithsonian Institution.

Die synthetische, metallisch glänzende Faser Lurex spielte in Liebes’ Design eine besondere Rolle. In ihren Augen verstärkte es die Wirkung jeder anderen Farbe. Liebes war nicht nur Farbberaterin für Dobeckmun, das Unternehmen, das Lurex herstellte, sondern auch Markenbotschafterin. Sie integrierte die Faser in Teppiche, Tapeten, Autopolster, Bademode, Handtaschen und Schuhe. Der „Liebes Look“ war in den USA in jedem Textilbereich allgegenwärtig.

Handwerk und Massenproduktion

Gegen Ende der 1930er-Jahre wandte sich Liebes der Industrieproduktion zu. Gutes Design, so ihre Grundüberzeugung, sollte allen zugänglich sein, nicht nur Privilegierten. Das war nur mit Massenproduktion möglich. Die Handwebstühle in ihren Studios blieben jedoch weiterhin für Sonderanfertigungen und kleinere Serien in Betrieb. An ihnen entstanden beispielsweise voluminöse Fenstervorhänge für die Ausstattung von Hollywood-Filmen. Außerdem fertigte Liebes an den Handwebstühlen die Dessin-Bücher und Prototypen, die in Industriewebereien in maschinengerechte Vorlagen umgesetzt wurden. Bei den industriell hergestellten Stoffen im Liebes-Design kam es entscheidend darauf an, die Taktilität des Handgewebten beizubehalten beziehungsweise nachzubilden, das war keine triviale Aufgabe.

Dorothy Liebes mit Ernst Spence in der Goodall-Fabrik in Sanford, Maine, ca. 1948. © Cooper Hewitt, Smithsonian Institution.

Liebes kooperierte u.a. mit dem Chemie-Giganten Dupont, dessen Textil-Sektion sie von 1955 bis 1971 als „style authority“ beriet, mit Goodall, eine der größten US-Textilfabriken, dem Teppichhersteller Bigelow-Sanford und dem Automobilunternehmen Chrysler. Sie beriet eine Reihe von Unternehmen zu Aspekten der Farbgestaltung und lieferte Designs im „Liebes-Look“ für die jeweiligen Produktfelder.

Mode und Film

In der Ausstellung begegnet man einigen Großen der amerikanischen Modegeschichte. Liebes arbeitete eng mit Bonnie Cashin (1908-2000) zusammen, die in den 1930er- und 1940er-Jahren zu den Schöpferinnen des „American Look“ gehörte. Liebes entwarf die Stoffe, Cashin setzte sie in Mode um. Die Cashin-Modelle in der Ausstellung stammen aus den 1960er-Jahren. Es ist faszinierend, wie passgenau Cashins und Liebes sich aufeinander abgestimmt haben.

Kleider von Bonnie Cashin, Stoff von Dorothy Liebes; Foto Elliot Goldstein. © Cooper Hewitt, Smithsonian Institution.

Außerdem sind Kreationen von Pauline Trigère (1908-2002) und Clare Potter (1903-1993) zu sehen, die neben Cashin zu den bekanntesten amerikanischen Ready-to-Wear-Designerinnen gehörten und ebenfalls eng mit Dorothy Liebes kooperierten.

Liebes pflegte langjährige Geschäftsbeziehungen zu führenden Kostümbildnern in Hollywood, insbesondere zu Edith Head (1897-1981) und Adrian (1903-1959), mit dem sie auch privat befreundet war. Ihm lieferte sie nicht nur Stoffe für Filmkostüme, sondern auch für seine Off-Screen-Kreationen. Zudem dekorierte sie seinen Showroom. Liebes wurde von der Filmindustrie vor allem angefragt, wenn es darum ging, in den Produktionen eine besonders opulente Atmosphäre zu simulieren. In der Cooper-Hewitt-Schau wird das mit mehreren Fotos aus der Goldenen Ära Hollywoods demonstriert.

Blick in die Ausstellung. Links Foto der Schauspielerin Dorothy Lamour aus dem Film „Newest Siren“, 1938. Gegenüber rechts ein Streifen von Liebes’ üppig gewebtem Vorhang für diese Produktion. Foto © Rose Wagner.

Gestern und Heute

Der Anblick der Muster und Stoffproben in der Ausstellung mit ihren griffigen Texturen und dem Feel and Touch des Handgewebten, ließ bei mir ein Verlustgefühl beim Gedanken an aktuelle Stoff-Arten aufkommen. Die heutigen, zumeist glatten Gewebe und Gewirke sind pflegeleicht und praktisch und bilden die Grundlage für eine ebensolche Mode. Die Taktilität von Liebes’ Textildesign bedingte hingegen eine Mode, die das stoffliche Material betonte, zumindest aber mit einbezog.

Auch nach dem Besuch der Ausstellung bleibt es mir unerklärlich, dass Dorothy Liebes in Vergessenheit geraten konnte. Es ist bekannt, dass die Designer von Dessins und Stoffen – meist sind es Frauen – in der Welt von Mode und Textil keinen sonderlich hohen Stellenwert besitzen, von der allgemeinen Öffentlichkeit ganz zu schweigen. Aber das trifft hier nicht zu. Liebes war zu ihren Lebzeiten ungemein bekannt und geschätzt. Spielen vielleicht die Geschmacksveränderungen der letzten Jahrzehnte und die Hinwendung zu einer möglichst saloppen und bequemen Mode aus pflegeleichtem, kostengünstigen Material eine Rolle?

Wie auch immer. Es ist gut, dass der faszinierende Abschnitt der amerikanischen Textilgeschichte, für den Dorothy Liebes steht, mit der Ausstellung aufgearbeitet und neu beleuchtet wird.