Fünfundzwanzig Jahre einen Hutsalon zu führen, das ist heutzutage etwas Besonderes! Deshalb: Herzlichen Glückwunsch an Susanne Gäbel!

Die Modistin mit Meisterbrief lud zur Feier des Jubiläums in ihren Salon in der Mommsenstraße 69 in Berlin Charlottenburg ein.

Zu diesem Anlass kreierte sie für sich selbst einen Kopfputz mit 25 Elementen. Das Fascinator-Gebilde erinnert an einen wilden Mikado-Klötzchen-Wurf, es wirkt kühn und fragil zugleich.

Susanne Gäbel mit Jubiläums-Kopfputz.

Der kleine Salon mit der freundlich-intimen Atmosphäre konnte nicht alle Besucher gleichzeitig fassen. Angestoßen, geredet und posiert wurde vor dem Laden. Nur gelegentlich scheuchte ein kurzes Regen-Intermezzo die Gäste auf. Gekommen waren vor allem Stammkunden. Etliche waren gut behütet, natürlich mit Gäbel-Kreationen.

Smalltalk vor dem Ladengeschäft.

Susanne Gäbel mit Stammkundinnen Lesly und Stella Ahangi.

Hüte von Susanne Gäbel scheinen glücklich zu machen.

Susanne Gäbel betreibt auch einen Herren-Hutsalon. Er liegt ebenfalls in der Mommsenstraße (Nr. 2), direkt gegenüber dem Laden mit den Frauenhüten.

Günther Krabbenhoft war auch da, natürlich mit Gäbel-Hut.

Fünfundzwanzig Jahre einen Hutsalon in Berlin zu betreiben ist eine bemerkenswerte Leistung, zumal wenn in unmittelbarer Nähe noch zwei weitere Modistengeschäfte um die Kundschaft konkurrieren, wie das hier der Fall ist. In den 1920er-Jahren hatte Berlin reichsweit die größte Dichte an Hutsalons. Diese Zeiten sind längst Geschichte. Kopfbedeckungen werden zwar wieder häufiger getragen als noch vor 20, 30 Jahren – in Berlin fallen vor allem Caps, Wollmützen und Kopftücher ins Auge. Sie stammen meist aus industrieller Massenproduktion und sind entsprechend preisgünstig. Die manuell, mit viel Fingerspitzengefühl von Susanne Gäbel gefertigten Modelle – oft handelt es sich um Unikate – haben dagegen ihren Preis, sie müssen ihn haben.

Ein Blick auf die neuesten Gäbel-Modelle.

Ob es in 25 Jahren noch Hutsalons gibt, die exklusive, handgefertigte Modelle liefern? Zweifel sind angebracht. Manche Handwerksberufe zählen zu den aussterbenden Gewerben, zumindest werden sie es schwer haben, als selbstständiger Betrieb ein Auskommen zu finden. Das betrifft vor allem Maßschneidereien und Hutmachereien. Zur prekären Situation dieser Gewerbe haben gesetzliche Regelungen beigetragen, die gutgemeint, aber kontraproduktiv sind. Vor drei Jahren wurde die Ausbildungsvergütung deutlich erhöht, das wurde für kleine Ausbildungsstätten zur schweren Bürde. Die Betriebe müssen zudem die Kosten für das Übungsmaterial der ‘Lehrlinge’ tragen; das kann etwa bei einer exklusiven Maßschneiderei, die mit Seide und Spitze arbeitet, zu einer nicht mehr tragbaren finanziellen Belastung führen. Auch deshalb nimmt die Zahl traditioneller Ausbildungsbetriebe mit hohem Anteil an Handarbeit ab. Nicht wenige überkommene Fertigkeiten und Fähigkeiten gehen mit der Zeit dadurch verloren.

Susanne Gäbel kommt über die Runden, weil sie auch Aufträge von Theatern und für Film- und Fernsehproduktionen erhält. Sie fertigt beispielsweise Kopfbedeckungen für den fünften Teil der „Tribute von Panem“, der bald in die Kinos kommt – allerdings ohne Jennifer Lawrence, dafür aber mit Kreationen von Susanne Gäbel.

Auch ich bin eine Gäbel-Kundin. Hier eine kleine Selektion aus meiner ‘Sammlung’:

Haarband, gefertigt von Susanne Gäbel aus einem alten Baumwollstoff meiner Mutter mit Original-Gürtelschnalle aus den 1930er-Jahren.

Headpiece für die Gartenparty, passend zum Kleid, gefertigt von Susanne Gäbel.

Einige Jubiläumsgäste beschäftigte die Frage, warum sie nur noch so selten eine ungewöhnliche Kopfbedeckung tragen, obwohl ihr Schrank gut gefüllt ist. Es ist eine irritierende Frage. Ist es Bequemlichkeit? Färbt die spezifische Berlin-Umgebung negativ auf modebewusste Köpfe ab? Lassen Selbstvertrauen und Modemut mit der Zeit nach?

Auf jeden Fall hatte der Jubiläumsempfang bei Susanne Gäbel auf mich einen belebenden Effekt. Morgen setze ich das Headpiece auf, das ich vor vielen Jahren bei ihr erstanden habe. Ist es nicht schön?

Headpiece von Susanne Gäbel, ca. 2009.