Claudia Skoda Dressed to Thrill
Kunstbibliothek, Kulturforum
Berlin >13.04.2021 – 29.08.2021

Die Ausstellung ist eine Hommage auf die West-Berliner Strickdesignerin Claudia Skoda (*1943), die in den siebziger und achtziger Jahren im Mittelpunkt einer libertär-hedonistischen Kreativ-Szene in Kreuzberg stand. Skodas Strickmode und die Art und Weise ihrer Präsentation waren für die Zeit und die Stadt ungewöhnlich und innovativ. Im offiziellen Ausstellungs-Flyer wird sie als „Ikone der West-Berliner Undergroundszene“ charakterisiert.

Werbung im Berliner Hauptbahnhof für die Skoda-Ausstellung, Juni 2021. Foto © Rose Wagner

Die Schau – kuratiert von Britta Bommert, Leiterin der Berliner Kostümbibliothek – konzentriert sich auf die Jahre 1975 bis 1988, Skodas erfolgreichste Zeit.

Blick in die Ausstellung. Foto © Rose Wagner

Dutzende Vintage-Prints und Polaroid-Schnappschüsse bedecken die Wände des Sonderausstellungssaales im Berliner Kulturforum. Auf den meisten Fotos ist Skoda zu sehen, mal in eigenen Entwürfen, mal in schrägen Posen, mal umringt von Mitstreiterinnen. Unter den Fotografen finden sich bekannte Namen wie Luciano Castelli, Jim Rakete und Martin Kippenberger. Die meisten Exponate stammen aus dem Privat-Archiv der Designerin.

Auf drei Großleinwänden im Eingangsbereich laufen in Endlosschleife Filmausschnitte früher Skoda-Modenschauen.

Video-Screens im Eingangsbereich der Ausstellung. Foto © Rose Wagner

Das textile Herzstück der Ausstellung bilden Skodas Strickdesigns. Die Kleider sind körpernah und semi-transparent, oft bunt und glitzernd, meist aus feinem Garn. In einem Interview bezeichnete Skoda ihre frühe Mode als „super sexy und feminin“ und als „etwas gypsymäßig“. Geometrische Muster herrschen vor, manche Schnitte sind zipfelig und asymmetrisch. Die Auswahl wirkt wie eine Melange aus Hippie-Revival, Disco-Glam und Punk.

Blick in die Ausstellung. Foto © Rose Wagner

Zwei Entwürfe aus dem Jahr 1983 fallen durch eine Anti-Fashion-Anmutung auf. Im Gegensatz zu Skodas anderen Modellen verzichten sie auf die explizite Akzentuierung weiblicher Körperformen. Sie lassen an japanische Designer wie Rei Kawakubo und Yohji Yamamoto denken, die Anfang der 1980er-Jahre mit der Dekonstruktion vertrauter Formen die westliche Modewelt in Aufregung versetzten und einen Löcher- und Lagen-Look propagierten.

Skoda-Modelle aus den achtziger Jahren. Foto © Rose Wagner

Was bei Skoda auf den ersten Blick wie stilistische Unentschiedenheit aussieht, hinterlässt auf den zweiten Blick den Eindruck einer Designer-Persönlichkeit, die sich nicht auf eine Richtung festlegen lassen will.

Die gebürtige Berlinerin Claudia Skoda begann ihre Laufbahn als Verlagsangestellte. Seit 1971 lebte sie in einer Wohn- und Arbeitsgemeinschaft im Bezirk SO36, der sich sozial und kulturell vom restlichen Kreuzberg abhob. Die WG nannte sich „fabrikneu“, auch weil sie in einer ehemaligen Fabriketage siedelte. Alle ihre Bewohner waren kreativ tätig. Skoda entwarf Strickdesign, das ihrer Vorstellung von zeitgemäß flippiger Mode entsprach; 1975 gründete sie ein Label unter ihrem Namen. Sie experimentierte mit verschiedenen Stricktechniken und Materialien. Bald fanden ihre Kreationen über ihr unmittelbares Umfeld hinaus Liebhaberinnen. Größere Auflagen fertigte sie nicht an, das garantierte Exklusivität. Für die industrielle Herstellung war ihr Design zu komplex. Skodas Mode war nie etwas für den kleinen Geldbeutel.

Anfänglich suchte sie noch selbst die Orte auf, die von ihrer zahlungskräftigen Klientel frequentiert wurden – etwa Ibiza – und bot die Strickwaren aus dem Koffer feil. Später zeigte sie ihre Kollektionen auf Messen in Westdeutschland und belieferte ausgewählte Läden in Düsseldorf, Paris und London. In den 1980er-Jahren betrieb sie vorübergehend eine eigene Boutique in New York.

Ursprünglich waren Skodas Modenschauen ausschließlich für die ihr vertraute Kreativ-Szene gedacht, nicht für kommerzielle Einkäufer oder ein großes Publikum. Der Schauraum in der Kreuzberger Fabriketage war schmal, das Setting familiär, Live-Musik trug zur Stimmung bei. Gelegentlich schauten Künstler vorbei, die es in das „Aussteiger-Mekka“ und die „Party-Metropole“ (G. Fülberth) West-Berlin verschlagen hatte, etwa David Bowie und Iggy Pop.

Dann beschloss Skoda, ihre Mode einem breiten Publikum vorzuführen und mietete prestigeträchtige Veranstaltungsorte wie das Ägyptische Museum (1978) oder die Kongresshalle (1979) für ihre Schauen an. Es wurden Eintrittskarten verkauft. Das war ein Bruch mit der bislang vorherrschenden Exklusivität von Modenschauen, die üblicherweise nur einem ausgewählten Kreis zugänglich waren. Skodas Shows waren grandios inszenierte multimediale Spektakel. Sie setzten neue Standards für die Präsentation von Mode.

Ihr Talent für die Konzeption und Choreographie großer Shows brachte Skoda den Auftrag des Berliner Senats ein, die Gala zur Eröffnung von „Berlin – Kulturstadt Europas 1988“ im Hamburger Bahnhof zu konzipieren.

Nach dem Fall der Mauer eröffnete sie Ladengeschäfte in Berlin-Charlottenburg und in Mitte, die jedoch nie lange bestanden, wohl auch wegen der steigenden Mieten.

Skoda-Laden in der Mulackstraße, Berlin-Mitte, 2019. Foto © Rose Wagner

Skodas Erfolg in den 1970er- und 1980er Jahren muss im Kontext von Ort und Zeit gesehen werden. West-Berlin war aufgrund seines alliierten Sonderstatus „Frontstadt“ und seit dem Bau der Mauer vom Ostteil der Stadt und vom DDR-Umland abgeriegelt. Die „Singularität der Stadt“ (Eisenhuth/Sabrow) wurde durch den Wegfall der Wehrpflicht, das Fehlen einer Sperrstunde, großzügige Subventionen – „Berlin-Förderung“ – und niedrige Lebenshaltungskosten begünstigt. Es bildeten sich Milieus, Subkulturen und eine vielfältige Künstlerszene heraus, die es anderswo so nicht gab. Das galt besonders für den Bezirk SO36 mit seinem spezifischen Lokalkolorit.  Dieser Aspekt wird in der Ausstellung zu wenig beachtet.

Dass Skoda mit ihrem Design so großen Anklang fand, lag auch daran, dass sie die Strickmode vom Image des Biederen und Langweiligen befreite. In Frankreich hatte bereits Sonia Rykiel (1930-2016) die Maschenware entstaubt und aufgepeppt. Auch die Hippie-Bewegung brachte Farbigkeit und Schwung in die Strickmode. Italienische Marken wie Krizia, Missioni und Benetton mischten seit den 1970er-Jahren mit bunter und trendiger Maschenware den internationalen Modemarkt auf. Aus Deutschland – West wie Ost – kam dagegen wenig modisch Aufregendes, schon gar kein Strickdesign. In diese Lücke stieß Skoda. Das ist ihr großes Verdienst. Eine modegeschichtliche Einordnung ihres Wirkens eröffnet die Ausstellung bedauerlicherweise nicht.

Schaufenster von Skodas Laden, Alte Schönhauser Straße, Berlin-Mitte, 2012. Foto © Rose Wagner

Die Kleider in der Berliner Ausstellung stehen auf einer rekonstruierten Bodeninstallation von 12×4 Metern, die Martin Kippenberger 1976 für Skodas Kreuzberger Modenschauen fertigte. Kippenberger (1953-1997), damals noch Kunststudent und gelegentlicher Gast in der WG „fabrikneu“, gab der Collage aus ursprünglich 1300 Fotos, die den Alltag der WG zeigten, den Titel „Eine Woche Intimleben der Fam. Skoda und Bekanntenkreis“. Neben Abzügen eigener Aufnahmen integrierte er alte Familienfotos von Skoda sowie Aufnahmen der Fotografinnen Esther Friedman und Ulrike Ottinger, die der WG nahestanden, in seine Bilderzählung. Die Fotos wurden mit Gießharz fixiert. Heute gilt diese Bodencollage als bedeutendes Frühwerk des später international bekannten Künstlers. Seit ihrer Wiederentdeckung im Jahr 2003 stand Kippenbergers Bodeninstallation schon mehrmals im Zentrum von Kunstausstellungen, etwa 2005 im Kunstforum NRW. Das kam auch dem Bekanntheitsstatus von Claudia Skoda zugute, schließlich ist die Collage ihr gewidmet. In der Berliner Ausstellung kommt die Bodencollage kaum zur Geltung, weil die Kleiderpuppen darauf platziert wurden.

Skoda-Figurinen auf Bodencollage von Kippenberger. Foto © Rose Wagner

Das war bei der Ausstellung „Kippenberger Catwalk“ in der Kunsthalle HGN in Duderstadt 2013/2014 anders. Dort durfte die Foto-Installation sogar betreten werden. Zudem konnten die Museumsbesucher sich Kleider von Skoda anlegen, die zum Verkauf standen. Ein wenig mehr von diesem Feeling (siehe Foto) hätte man sich für die Berliner Ausstellung gewünscht.

Besucherinnen auf Kippenbergers Bodencollage, angetan mit Skoda-Mode, Duderstadt, Kunsthalle HGN, 2013. Foto © Rose Wagner

Heute betreibt Skoda kein Ladengeschäft mehr, verkauft allerdings auf Anfrage noch direkt an Endkunden. Präsent ist sie in Berlin nach wie vor. Bei Veranstaltungen lässt sie ein interessiertes Publikum an ihren Erinnerungen an die hedonistische Kreuzberger Kreativ-Szene vor dem Mauerfall teilhaben.

Claudia Skoda bei einer Präsentation über ihre Kreuzberger Zeit in der Berlinischen Galerie, 2018. Im Hintergrund ein Foto von Ulrike Ottinger, auf dem Claudia Skoda, Tabea Blumenschein, Jenny Capitain zu sehen sind. Foto © Rose Wagner

Bei der Fashion Week im September 2021 zeigte Skoda bei der Ausstellung „Fashion Positions“ – einem Teil der „Berlin Art Fair“ – im Flughafen Tempelhof neuere Entwürfe.

Skoda-Ausstellungsstand bei der “Berlin Art Fair 2021“. Foto © Rose Wagner

Modisch aufgeschlossenen West-Berlinern, die vor der „Wende“ in der Stadt lebten, sagt der Name Claudia Skoda auch heute noch etwas. Jüngere und Zugereiste macht das Image der „Ikone der West-Berliner Undergroundszene“ neugierig. Außerhalb Berlins ist Skoda nach meiner Wahrnehmung bis heute kaum bekannt.

Leider nimmt die Berliner Ausstellung eine enge Retro-Perspektive ein. Indem sie vor allem auf Skodas Wirken in der Kreuzberger Kreativ-Szene der Vorwendezeit abhebt, trägt sie zur Musealisierung der Stadtgeschichte bei, die seit dem Fall der Mauer 1989 eingesetzt hat. Schade, dass die Ausstellung nicht Skodas Entwürfe der letzten Jahrzehnte einbezieht. Man hätte sich auch Ausführungen zu ihrer Bedeutung für die Geschichte der deutschen Strickmode und eine analytische Einordnung ihrer Arbeiten in die verschiedenen Schaffensperioden gewünscht. Fragen nach ihrer Langzeitwirkung und ihrem Einfluss auf andere Modeschaffende werden nicht gestellt. Hat sie neue Designer-Generationen inspiriert? Wann, wen und wie? Anschaulich zeigt die Ausstellung hingegen, wie Skoda die Form der Modenschau verändert und modernisiert hat. Gern hätte man auch die anderen Aspekte mit vergleichbarer Intensität beleuchtet gesehen.

Skoda-Strickdesign, ca. 2012. Foto © Rose Wagner

Titelfoto: Skoda-Strickdesign aus den Jahren 2010-2019. Foto © Rose Wagner