„Proenza Schouler“
Le Bon Marché Rive Gauche
24, rue de Sèvres, 75007 Paris
> 22.02.2014 – 22.03.2014
In Europa ist das amerikanische Ready-to-Wear-Label Proenza Schouler noch nicht sehr bekannt. Eine Ausstellung im Luxuskaufhaus Le Bon Marché in Paris soll das ändern.
Hinter dem Namen Proenza Schouler verbirgt sich das Designer-Duo Jack McCollough und Lazaro Hernandez. Die beiden lernten sich im Studium an der „Parsons The New School for Design“ in New York kennen. Alle Modelle ihrer Abschlussarbeit wurden sofort vom Luxuskaufhaus Barneys aufgekauft. Davon können die meisten angehenden Designer nur träumen. Ihr Label – der Name setzt sich aus den Geburtsnamen ihrer Mütter zusammen – gründeten sie im Jahr 2002. Wiederholt erhielten sie Auszeichnungen des Berufsverbands „Council of Fashion Designers of America – CFDA“, die ihnen Geld, Prestige, wichtige Kontakte und Gönner einbrachten, ohne die ihre beispielslose Karriere kaum denkbar wäre.
Nun wurde ihnen sogar schon eine Retrospektive gewidmet.
Auf der Ausstellungsfläche im Bon Marché waren in strenger Anordnung 80 Modelle aus den Kollektionen der letzten zehn Jahre auf schwarzen, matt glänzenden Figurinen dekoriert. Die minimalistische Installation wirkte steif und verschlossen, eigenartigerweise manchmal selbst da, wo die Stoffe der Kleider hell und die Farben leuchtend waren. Bei schimmernden Geweben drängte sich sogar die Vorstellung von Rüstungen auf.
Jack McCollough und Lazaro Hernandez legen gesteigerten Wert auf die Materialentwicklung. Naturmaterialien wie Seide, Baumwolle, Wolle und Leder – aber auch synthetische Gewebe – werden bedruckt, opulent bestickt oder im Laser-Cut-Verfahren ausgestanzt und originell miteinander kombiniert.
Vielfach werden Digitalprints verwendet, denen Fotomotive aus dem Großstadtleben zugrunde liegen. Gerhard Richter wird als Inspirationsquelle genannt. Die Kleider und T-Shirts aus solchen Prints wirken lässig und auf der Höhe der Zeit. In ihnen spiegelt sich das Lebensgefühl von Metropolen wider.
Die Verarbeitung ist perfekt. Bei einigen Modellen drängt sich jedoch das Material stark in den Vordergrund, so dass Schnitt und Linienführung dahinter zurücktreten. Überhaupt bleibt das Gefühl, dass hinter der technischen Avanciertheit das Emotional-Sinnliche zu kurz kommt.
Bei manchen Geweben scheinen Muster und Webart von Berberteppichen Pate gestanden zu haben, andere erinnern an Basttaschen, Makramee oder Heimtextilien. Die Designer nehmen bei ihren Reisen durch die Welt Anregungen auf, die sich in ihren Entwürfen wiederfinden.
Einige Modelle umwehte ein charmanter Hauch von Vintage. Das mag daran liegen, dass die beiden Designer mit der klassischen Pariser Haute Couture vertraut sind.
Den größten Gewinn erzielt das Label bislang mit Accessoires. Mit einer sogenannten Capsule Collection, einer limitierten Auflage anlässlich der Ausstellung, soll der Verkauf gesteigert werden. Sie besteht neben Sonderanfertigungen der Taschenmodelle PS1 und PS11 aus Schals, T-Shirts und Notizblöcken.
Außerdem kommen erstmals einige Teile aus der Sommerkollektion 2014 in den Verkauf, die bis dahin zurückgehalten wurden.
Dass einem Modelabel, das erst vor zwölf Jahren gegründet wurde und dessen Designer gerade einmal 33 Jahre alt sind, bereits eine Retrospektive gewidmet wird, ist ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher ist, dass diese Ehre einem amerikanischen Label im Pariser im Bon Marché zuteil wird. Das ist nicht irgendein Kaufhaus. Es war das weltweit erste Warenhaus und neben dem Eiffelturm lange Zeit das bekannteste Wahrzeichen von Paris. Emile Zola nahm diese „Kathedrale des Kommerzes“ zum Vorbild für seinen sozialkritischen Roman „Das Paradies der Damen“. Heute unterscheidet sich das Bon Marché von den anderen großen Pariser Luxuskaufhäusern dadurch, dass mehr als 70% seiner Kundschaft Einheimische sind. Im Lafayette und Printemps auf der rechten Seite der Seine überwiegen dagegen die Touristen, vor allem betuchte Asiatinnen, die sich mit europäischen Luxusartikeln eindecken.
Das Bon Marché gehört zu LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton, dem Konzern, der weltweit in der Luxusgüterindustrie führend ist und Marken wie Dior und Pucci unter seinem Dach vereint. Wenn nun im Bon Marché mit einer opulenten Vernissage die Ausstellung des jungen amerikanischen Labels eröffnet wird, scheinen nicht nur mode-ästhetische Aspekte eine Rolle zu spielen. Der Branchendienst „Women´s Wear Daily“ spekulierte über Einkaufspläne des Konzerns. Will LVMH die beiden Designer für eines der eigenen Häuser verpflichten oder womöglich sogar Proenza Schouler in den Konzern integrieren?
In den USA zählen zu den Kundinnen des Labels hauptsächlich erfolgreiche Geschäftsfrauen der Altersgruppe bis Mitte dreißig. In Paris, so die Modezeitschrift Elle, erwärmen sich vor allem ältere Damen, die sonst bei Chanel oder Saint Laurent einkaufen, für Proenza Schouler. Dass viele Kleider des Labels in Midi-Länge gehalten sind, dürfte ihnen entgegenkommen.
Ob sich das Image des Coolen, das das Label in den USA genießt, im Zuge seiner Europäisierung hält? Die unterkühlte Ausstellung lässt daran Zweifel aufkommen. Die Schaufenster, die auf die Ausstellung aufmerksam machen sollten, waren wie zubetoniert. Lediglich schmale Öffnungen ermöglichten einen Blick auf Spiegelinstallationen mit Modellen von Proenza Schouler. Ob eine solche Verbarrikadierung tatsächlich Neugier weckt? Doch die Verantwortlichen für visuelles Marketing bei LVMH werden wissen, was sie tun. Sie sind bekannt dafür, dass sie nichts dem Zufall überlassen.
Titelfoto: Verbindung zwischen der Konfektions- und der Lebensmittelabteilung des Bon Marché mit Design von Proenza Schouler.