„Biomimetics. New Shores / New Styles”
Ausstellungsraum der Kunstbibliothek Staatliche Museen zu Berlin  > 14.01.2014 ‒ 18.01.2014

In den Bio- und Ingenieurswissenschaften wird systematisch von der Natur gelernt, um die Erkenntnisse in konkrete Verfahren und Produkte umzusetzen. Dass sich auch Mode-Designer deren Konstruktions- und Funktionsprinzipien abschauen, ist jedoch relativ neu. Dabei könnte sich verstärkte bionische Forschung für die Textil- und Modeindustrie auszahlen. Mode hat sich immer schon von Farben, Formen und Mustern der Natur inspirieren lassen. Man kann sich heute durchaus vorstellen, dass auch Materialeigenschaften von Pflanzen und Tieren abgeschaut werden. Warum nicht Selbstreinigung wie bei den Lotuspflanzen? Oder Resistenz gegen das Eindringen von Wasser aufgrund einer spezifischen Oberflächenstruktur wie bei den Haifischen? Schließlich gibt es mit dem von der Natur abgeschauten Prinzip der reversiblen Haftung bei den Klettverschlüssen bereits ein überzeugendes Beispiel für die Sinnhaftigkeit bionischer Forschung. Klettfrüchte lieferten die Anregung.

Studenten der ESMOD Modehochschule in Berlin und des Shenkar College in Tel Aviv haben sich in dem Gemeinschaftsprojekt „Biomimetics – New Shores / New Styles“ mit bionischen Aspekten befasst. Sie stellten sich die Frage, ob die Beobachtung von Naturprozessen mit dazu beitragen kann, Bekleidung zu entwerfen, die nachhaltig ist, sich klimatischen Bedingungen anpasst und dennoch ästhetischen Kriterien genügt.

Das Projekt wurde vom deutsch-israelischen Zukunftsforum gefördert. Eine Auswahl der Entwürfe war im Rahmen der Berliner Modewoche in der Kunstbibliothek zu sehen. Hier einige Beispiele.

Building Techniques / Konstruktionsverfahren

Daniel Sassi und Golan Taub ahmen mit ihren strukturierten Modellen Kugelfische nach, die mit Hilfe ihres Körpers plastische Abdrücke in den Boden pressen. Diese Aushöhlungen wirken anziehend auf Weibchen, die darin ihre Eier ablegen. Die Designer imitierten die Konstruktionsmethode der Kugelfische und stanzten Abdrücke und Hervorhebungen in Leder und Felle.

Modelle von Daniel Sassi und Golan Taub.  Foto © Rose Wagner

Modelle von Daniel Sassi und Golan Taub.
Foto © Rose Wagner

Shedding / Häuten und Abstoßen

Elena Ganstein will zeigen, was mit der menschlichen Haut geschehen kann, wenn sie verbrannt oder sehr alt ist. Sie verwendet feine Seide für ihren Entwurf, der eine kranke Haut mit Falten und Wülsten symbolisieren soll.

Modell von Elena Ganstein.  Foto © Rose Wagner

Modell von Elena Ganstein.
Foto © Rose Wagner

Climate Control / Temperaturregulierung

Noy Goldstein ließ sich von Kakteen inspirieren, die sich bei extremen Wetterbedingungen mit Hilfe gezähnter, welliger Oberflächen und feiner Stacheln Kühlung verschaffen.

ESMOD

Modelle von Noy Goldstein.
Foto © Rose Wagner

Parasites / Schmarotzer

Diana Bass will mit ihren skulpturalen Entwürfen auf Umweltzerstörungen aufmerksam machen. Sie geht von schädlichen Organismen aus, die auf Kosten ihrer Wirtspflanze leben und das Ursprungsgebilde durch Auswucherungen entstellen und zerstören.

ESMOD

Modelle von Diana Bass. Fotos © Rose Wagner

Modelle von Diana Bass.
Fotos © Rose Wagner

Offensive Techniques / Angriffstechniken

Nicole Fuchs hat sich mit Abwehrstrategien und Vernichtungstechniken im Tierreich beschäftigt, vor allem mit „Vergiften“ und „Stechen“ wie es Quallen und Bienen praktizieren. Für die textile Umsetzung dieser Naturvorgänge hat sie zudem leuchtende Farben gewählt, die wie eine Warnung wirken.

Modell von Nicole Fuchs. Foto © Rose Wagner

Modell von Nicole Fuchs.
Foto © Rose Wagner

Die Entwürfe für das Bionik-Modeprojekt zeigen einen experimentellen Charakter. Viele beschränken sich auf die textile Nachbildung natürlicher Prozesse, ohne dass eine erkenntnisleitende Fragestellung deutlich wird. Doch selbst das ist nicht gering zu schätzen. Manchmal führt auch die reine Naturbetrachtung zu überraschenden Ergebnissen, wie die Geschichte des Klettverschlusses zeigt. Es lohnt sich sicherlich, einige der studentischen Ideen weiterzuentwickeln.

Titelbild: Detail aus einem Modell von Daniel Sassi und Golan Taub. Foto © Rose Wagner