„First Ladies“
Dauerausstellung
National Museum of American History
1300 Constitution Ave. NW
Washington, D.C.
Eine Ausstellung mit Kleidern amerikanischer First Ladys im National Museum of American History in Washington D.C. ist seit ihrer Eröffnung im Jahr 1914 ein Publikumsmagnet. Im Mittelpunkt stehen Kleider, die First Ladys am Tag der Amtseinführung eines neuen Präsidenten trugen. Es wird erkennbar, dass die Garderobe einer First Lady nicht nur eine persönliche Geschmacksentscheidung, sondern Teil der visuellen Inszenierung der Regierung ist.
Die Ausstellung basiert auf einer umfangreichen Sammlung, die Kleidungsstücke aller ‘Amtsinhaberinnen’ enthält, 46 bis heute. Sie gilt als Nationalschatz. Bei meinem Besuch waren rund dreißig Kleider zu sehen.
Das älteste Repräsentationsgewand in der Sammlung ist von Martha Washington (1731–1802; Erste Dame von 1789–1797). Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich noch keine eigenständige amerikanische Mode entwickelt. Martha Washington ließ ihr Kleid nach französischem Vorbild fertigen, zugleich jedoch mit einem Motiv aus einheimischen Wildblumen und Insekten besticken. Das wurde als Ausdruck des neuen staatlichen Selbstbewusstseins und Zeichen der Eintracht unter den elf Gründungsstaaten der USA gewertet.
Abbildung 2 zeigt ein Tableau aus einer älteren Ausstellungsversion. Neben einer sitzenden Figurine mit dem Gewand Martha Washingtons sind die ‘Staatsgewänder’ von Dolley Madison (1768–1849/1809–1817), Martha Jefferson Randolph (1772–1836; Tochter des verwitweten Präsidenten Thomas Jefferson, die gelegentlich als First Lady fungierte) und von Abigail Adams (1744–1818/1797–1801) zu sehen. Diese Kleider werden heute nur noch selten in der Ausstellung gezeigt.
Der bislang letzte Zugang kommt von First Lady Jill Biden: zwei Kleid-Mantel-Ensembles nebst Gesichtsmasken, getragen am Tag der Amtseinführung Präsident Joe Bidens am 20. Januar 2021.
Botschaften von First-Lady-Kleidern
Die Kleidungsstücke, die Jill Biden dem Nationalmuseum übergab, sind für eine Inaugurationsgarderobe untypisch. Seit Eröffnung der Ausstellung 1914 schenkt jede First Lady dem Museum ihre Robe vom großen Ball zur Feier der neuen Präsidentschaft oder – falls der Ball ausfällt, was bislang selten der Fall war – ein anderes Repräsentationsgewand. Wegen der Corona-Pandemie fand 2021 kein Ball statt. Stattdessen gab es eine abendliche Live-Fernsehübertragung mit Kulturprogramm aus dem Weißen Haus. Bei dieser Gelegenheit trug die neue First Lady ein wollweißes Ensemble mit aufwendigen Stickereien, die alle Nationalblumen der USA widerspiegeln.
Mit dem bewussten Bezug auf Martha Washingtons National-Stickerei-Motiv aus dem 18. Jahrhundert stellte sich die aktuelle ‘Amtsinhaberin’ in eine lange Traditionsreihe und illustrierte gleichzeitig auf anschauliche Weise, dass auch die neue Regierung die Überwindung von Trennendem und die Förderung des Zusammenhalts als zentrale Aufgabe ansieht.
Zur feierlichen Vereidigung am Vormittag der Amtseinführung trug Jill Biden ein ozeanblaues Wolltweed-Ensemble des jungen New Yorker Labels Markarian. Der Mantel ist mit Samtvelours besetzt, das Kleid mit Swarovski-Kristallen bestickt. Die intendierte Aussage dieses Ensembles, seiner Farbe und funkelnden Schmucksteine lautete: Zuversicht, Stabilität und Optimismus.
In die Wahl einer Inaugurationsgarderobe gehen nicht nur ästhetische und praktische Überlegungen ein, sondern auch historische und politische. Damit auch jeder versteht, was mit der jeweiligen Garderobe ausgedrückt werden soll, liefern die Pressestellen von First Ladys detaillierte Informationen und Interpretationshilfen, auch die beteiligten Designer äußern sich entsprechend.
Allerdings ist nicht jedes Kleidungsstück einer First Lady ein wandelndes Polit-Poster. Am Tag der Amtseinführung ist es jedoch das am meisten fotografierte und kommentierte Kleidungsstück der Welt, und es muss eine Botschaft aussenden, die einen Fingerzeig auf die Politik der neuen Regierung gibt. Zudem muss es von einem amerikanischen Designer entworfen werden, auch um den internationalen Rang der amerikanischen Mode herauszustellen. Selbst Melania Trump mit ihrer Vorliebe für europäische Luxuslabels hielt sich am 20. Januar 2017, dem Tag der Amtseinführung von Präsident Donald Trump, an diese Regel.
Die erste First Lady, die offensiv den Primat amerikanischer Mode herausstrich und zur Amtseinführung ein „All-American Gown“ trug, war Caroline Harrison (1832‒1892/1889‒1892). Sie setzte die protektionistische Handelspolitik ‒ „America First“ ‒ des Präsidenten Benjamin Harrison auf textile Weise um. Der Stoff für ihr Kleid wurde in den USA gewebt, verarbeitet und mit patriotischen Motiven bestickt. Erstmals wurde auch der Name des verantwortlichen Modedesigners öffentlich genannt.
Das Interesse an allem, was eine First Lady tut oder lässt, ist seit den ersten Tagen der Republik groß. Der Präsident ‘spricht’ durch seine Taten, die First Lady durch ihre Kleider. Sie repräsentiert die Nation. Was sie trägt, zumal am Tag der Amtseinführung, wenn die ganze Welt zuschaut, ist von Bedeutung. Das Sezieren ihrer Garderobe ist in den USA gleichermaßen ‘Volkssport’ wie ernsthafte politische Analyse. Es schmeichelt der Volksseele, wenn eine First Lady auch international als Modevorbild gilt, wie das bei Jacqueline Kennedy (1929‒1994/1961‒1963) der Fall war. Sie ist ein Musterbeispiel dafür, welche – auch außenpolitische ‒ Bedeutung der Garderobe einer First Lady zukommen kann. „Jackie“ verhalf dem Weißen Haus zu einem Image der Weltläufigkeit. Im Systemwettkampf des Kalten Krieges spielte ihr dezenter Glamour eine nicht zu unterschätzende Rolle; ihr Kleidungsstil schien die überlegene Kultur des Westens zu verkörpern.
Wie die Idee zur Ausstellung entstand
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurden in vielen amerikanischen Großstädten neue Kunst- und Geschichtsmuseen gebaut. Sie sollten helfen, eine identitätsstiftende nationale Kultur zu begründen, Bildungsniveau und Geschmack der Massen zu heben und staatsbürgerliches und patriotisches Bewusstsein zu fördern. Exemplarische Biografien tugendhafter und patriotischer Persönlichkeiten der amerikanischen Geschichte sollten diesem Ziel dienen.
Die First-Ladys-Ausstellung geht auf die Initiative zweier einflussreicher Damen der Washingtoner Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Cassie Mason Myers Julian-James und Rose Gouverneur Hoes (direkte Nachfahrin James Monroes, des fünften Präsidenten (1817–1825)) der USA, missfiel, dass sich unter den geehrten Persönlichkeiten im neuen Nationalmuseum keine weiblichen Vorbilder befanden und nichts speziell für Frauen Interessantes aufbereitet wurde. Das wollten sie ändern. Die Bedeutung der Ersten Dame für die Institution der Präsidentschaft sollte hervorgehoben und gleichzeitig eine Kostümgeschichte erzählt werden. Sie überredeten Nachkommen früherer First Ladys, ihre Dachböden und Truhen nach vergessenen Kleiderschätzen zu durchforsten. Etliches kam zusammen. Als First Lady Helen Taft (1909–1913) ihre reich bestickte Amtseinführungsrobe stiftete, war der Startschuss für den Aufbau der Sammlung gefallen, und die konkreten Vorbereitungen für die Eröffnung der Ausstellung begannen.
Julian-James und Gouverneur Hoes übernahmen die gesamte Organisation einschließlich des Kuratierens, sehr zum Gefallen der Museumsleitung, die mit dem Thema wenig anfangen konnte.
Im Februar 1914 wurde die „First Ladies Hall“ feierlich eröffnet. Die Ausstellung zieht jährlich noch immer Millionen Besucher an. Im Laufe der Zeit veränderten sich Umfang, Präsentationweisen und Schwerpunktsetzungen. Die gegenwärtige Version ist die zehnte.
In der Ursprungsvariante wurden die Kleider in Glaskästen bei tagesheller Beleuchtung gezeigt. Erst als das Museum in den 1960er-Jahren ein neues Gebäude bezog, wurde diese ruinöse Praxis beendet. Textilien sind empfindliche Objekte. Licht, Staub und hohe Luftfeuchtigkeit können ihnen schnell den Garaus machen.
Die aktuelle Schau
Die derzeitige Ausstellung ist – verglichen mit früheren Versionen – eine karge Angelegenheit, dafür allerdings auf neuestem konservatorischem Niveau. Bis 1987 wurde von jeder First Lady dauerhaft mindestens ein Kleid ausgestellt. Heute wird nur noch eine begrenzte, rotierende Auswahl aus der Sammlung gezeigt. Dazu kommen allerdings zahlreiche Accessoires und persönliche Gegenstände von First Ladys. So sind etwa die Jimmy-Choo-Highheels von Michelle Obama zu sehen, die sie 2009 beim Ball zur ersten Amtseinführung von Präsident Barack Obama trug. Kleidungsstücke und Accessoires beliebter First Ladys bedienen den Wunsch nach Glamour und Prominentengeschichten und erhöhen die Anziehungskraft der Ausstellung.
Bis in die 1980er-Jahre wurden die Puppen mit den Kleidungsstücken in sogenannte „Period Rooms“ ‒ üppig mit Original-Interieur einzelner Epochen ausgestattete Schauräume ‒ gestellt. Solche „Period Rooms“ sind aus der Mode gekommen und wegen ihres hohen Aufwandes heute auch nicht mehr realisierbar.
Die Hauptattraktion der aktuellen Schau sind die Abendkleider, die First Ladys im Zeitraum von 1977 bis 2017 zum Ball anlässlich der Amtseinführung trugen.
In einer besonders großen Vitrine sind in nicht-chronologischer Reihung Kleider, zu sehen, die zu anderen wichtigen Anlässen als der Amtseinführung getragen wurden. Dieses Arrangement gibt einen besseren Eindruck von den Veränderungen in der Mode der vergangenen zweihundert Jahren als eine Präsentation in zeitlich fortlaufender Reihung.
Eines der Glanzstücke in dieser Vitrine ist das „Yellow Silk Reception Gown“, eine schulterfreie Robe, die Jacqueline Kennedy am 4. Mai 1961 zum ersten großen gesellschaftlichen Ereignis der neuen Regierung, dem Staatsbankett für den tunesischen Präsidenten Bourguiba, anlegte. „Jackie“ trug kein Kleid zweimal. Aber jedes ihrer Kleider hat durch massenhafte mediale Verbreitung einen Platz im kollektiven nationalen Modegedächtnis. Mit dem „Yellow Silk Reception Gown“, löste sie einen Trend zu schulterfreien Abendkleidern aus. Nancy Reagan (1981) und Michelle Obama (2009) stellten sich mit schulterfreien Amtseinführungsroben in eine „Jackie“-Traditionsreihe. Diese Kleider sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen – Abbildungen 12 und 13.
Die Detail-Ansicht in Abbildung 15 zeigt vorne links das erwähnte „Yellow Silk Reception Gown“. Im Hintergrund ist ein ‘Trio’ von Frances Cleveland (1864‒1947), 23. und 25. First Lady, zu sehen. Frances Cleveland ließ sich zu einem zweiteiligen Kleid mit floralem Muster zwei separate Oberteile schneidern. Frances Cleveland gehört neben Dolley Madison und Jacqueline Kennedy zu den First Ladys, die in ihrer Zeit als Mode-Ikonen galten. Das sommerliche Nachmittagskleid rechts gehörte First Lady Lou Hoover (1874‒1944/1929‒1933), die während der großen Rezession auch für Abendkleider Baumwolle propagierte – sie konnte sich nicht damit durchsetzen. Seide blieb selbst in Notzeiten das bevorzugte Material für Abendroben.
Im Bemühen, von einer reinen Kleiderschau wegzukommen, werden in einem Nebenraum unter der Überschrift “Changing Times, Changing First Ladies” vier ‘Amtsinhaberinnen’ porträtiert, die jeweils einen eigenen Weg fanden, ihre Rolle auszufüllen, sich Freiräume zu schaffen und eigenständige Initiativen zu entwickeln: Dolley Madison, Mary Lincoln (1818‒1882/1861‒1865), Edith Roosevelt (1861‒1948/1901‒1909) und Lady Bird Johnson (1912‒2007/1963‒1969).
Die Starrolle kommt Dolley Madison zu. Sie gilt als heldenhafte Patriotin, die trotz ihres Hangs zum Luxus – sie wurde nicht umsonst „Queen Dolley“ genannt – das Interesse des Landes über ihr eigenes stellte; so heißt es jedenfalls. Als sich englische Truppen im Britisch-Amerikanischen Krieg (1812‒1814) anschickten, das Weiße Haus niederzubrennen, ließ Dolley Madison noch vor der Rettung ihrer persönlichen Gegenstände einen großen Teil des geschichtsträchtigen Staatsmobiliars in Sicherheit bringen.
First Lady Madison hat sich weitere bleibende Verdienste erworben. Sie führte den großen Ball zur Amtseinführung ein und machte das Weiße Haus zum sozialen und kulturellen Zentrum der Hauptstadt. Sie war die erste First Lady, die Modetrends setzte. Abbildung 17 zeigt eine Leinen-Postkarte, auf der sie in einem luxuriösen Seidenkleid in Gelb und Pink mit aufwendiger floraler Stickerei wiedergegeben ist. Das abgebildete Kleid wird heute im Depot verwahrt. Ihr besonderes ‘Markenzeichen’ war der Turban. Sie popularisierte diese orientalisierende Kopfbedeckung in den USA.
Die Postkarte ist Teil einer Serie mit den Abbildungen besonders populärer First Ladys, die vom “U.S. National Museum” in den 1930er-Jahren herausgegeben wurde.
In der Ausstellung sind einige Kleider zu sehen, die Geschichte geschrieben haben. Eine ausführlichere Beschreibung des gesellschaftlichen Kontextes wäre wünschenswert gewesen, weil dann erkennbar würde, welche Fragen mit der Rolle von First Ladys und ihrer Garderobe verbunden waren und weiterhin sind. Es wäre beispielsweise interessant gewesen, mehr über das Inaugurationskleid von Rosalynn Carter (1927‒2023/1977‒1981) und die heftige öffentliche Kritik daran zu erfahren. First Lady Carter war zum großen Ball am 21. Januar 1977 in einem Gewand erschienen, das sie Jahre zuvor schon einmal getragen hatte. Der Kritik an ihrem “gebrauchten” Kleid begegnete sie mit der Frage, wieso von First Ladys erwartet würde, ihre ‘Dienstkleidung’ aus eigener Tasche zu bezahlen. Wenn die Nation einen hochmodischen Auftritt erwarte, sollte sie auch die Mittel dafür bereitstellen.
Rosalynn Carter hat den Finger in eine Wunde gelegt. Etliche der neueren Kleider in der Ausstellung wurden von Designern oder Modehäusern gestiftet. Das deutet darauf hin, dass sie der First Lady zur Amtseinführung kostenfrei zur Verfügung gestellt worden sind. Eine derartige Praxis ist von der Oscar-Verleihung in Hollywood bekannt, im Weißen Haus erwartet man sie nicht.
Von gesellschaftlich größerer Relevanz ist ein anderes Thema: Ist die Rolle der First Lady anachronistisch? Ist die Zeit der Umstürzung tradierter Gendernormen gekommen? Wahrscheinlich werden die nächsten Jahre darauf eine Antwort geben. Wenn die erste Präsidentin vereidigt wird und ihr zur Seite ein First Gentleman im Anzug steht, wird über eine Neuausrichtung, auf jeden Fall aber über einen anderen Namen für die First-Ladys-Ausstellung nachgedacht werden müssen. Ob die Ausstellung noch so bunt und abwechslungsreich ist, wenn auch Männerkleidung integriert wird, ist eine andere Frage.
Bildnachweise:
Abbildungen: 1, 3, 12, 13, 14, 15: ©Rose Wagner.
Abbildungen: 4, 5, 6, 11, 18: ©National Museum of American History.
Abbildungen: 2, 7, 9, 10: ©Smithsonian Institution Archives.
Abbildungen: 16, 17: ©Smithsonian Libraries and Archives.
Titelfoto: ©Smithsonian Libraries and Archives.
Titelfoto: "Fuchsia Purse" von First Lady Mamie Eisenhower.