Ausstellung „Killer Heels: The Art of the High-Heeled Shoe“
Brooklyn Museum, New York  >10.09.2014 – 15.02.2015

Während neuerdings bei internationalen Modewochen vor allem flache Schuhe zu sehen sind und der Sneaker beliebt ist wie nie zuvor, zeigt das Brooklyn Museum in New York in einer sehenswerten Ausstellung ausschließlich Schuhe mit hohen Absätzen. Kein anderes modisches Accessoire ist erotisch so aufgeladen und umstritten wie der hochhackige Frauenschuh, und der Besuch der Ausstellung „Killer Heels“ löst einen Wirbel von widerstreitenden Assoziationen und Eindrücken aus: Verführung, Unterwerfung, Erhöhung, Immobilität, Stärke, Schmerzen, Absurdität….

Die 160 zusammengetragenen Schuhe reichen zeitlich von der italienischen Renaissance über das chinesische Mandschu-Reich und das Osmanische Reich, die Belle Époque und die Epoche der klassischen französischen Haute Couture bis hin zur Gegenwart. Der Begriff „Killer Heels“ wird weit gefasst und schließt keineswegs nur Schuhe mit Pfennigabsätzen – auch als Stilettos bekannt – ein, sondern jegliche Art weiblicher Fußbekleidung mit enormer Absatzhöhe oder turmhohen Sohlen. In der Regel ist der Absatz von High Heels mindestens 10 cm hoch.

Christian Louboutin, „Printz“, Frühjahr / Sommer 2013–14. Foto © Brooklyn Museum, Jay Zukerkorn

Christian Louboutin, „Printz“, Frühjahr / Sommer 2013–14. Foto © Brooklyn Museum, Jay Zukerkorn

Das Objekt steht zwar im Mittelpunkt, doch Fotomontagen, Filmausschnitte sowie eigens für die Ausstellung produzierte Videos geben auch der Imagination Nahrung. Informationstafeln, Gemälde und kunsthandwerkliche Gegenstände helfen, die Schuh-Exponate in einen größeren kulturellen und historischen Kontext einzuordnen. Es wird keine stringente und eindeutige Geschichte erzählt, sondern ein Mosaik aus vielen verschiedenen Elementen ausgebreitet, das sich jeder selbst zu einem Gesamtbild zusammensetzen muss.

Tsukioka Yoshitoshi: „Der Mond von Kuruwa“, Holzschnitt, 1886. Foto © Brooklyn Museum

Tsukioka Yoshitoshi (1839–1892): „Der Mond von Kuruwa“, Holzschnitt, 1886. Foto © Brooklyn Museum

Die sechs Themenblöcke der Ausstellung sind nicht klar voneinander geschieden, doch alle Räume sind visuell opulent gestaltet und anregend. Den zahlreichen Besuchern, die sich durch die Gänge und Räume drängen, bietet sich reichlich Diskussionsstoff.

In der Abteilung „Revival and Interpretation“ verdeutlicht die Gegenüberstellung von historischen Schuhen und neuestem Design, wie manche Formen über Jahrhunderte hinweg immer wieder variiert werden. Ein Modell von Balenciaga aus dem Jahr 2013 mit Blockabsatz erinnert beispielsweise an die Schuhe der Pilgerväter in Neuengland. Ihnen haftet etwas Puritanisches an.

Balenciaga, 2013. Foto © Brooklyn Museum, Sarah DeSantis

Balenciaga, 2013. Foto © Brooklyn Museum, Sarah DeSantis

Eine venezianische Chopine aus dem 16. Jahrhundert scheint bis in die Gegenwart inspirierend gewirkt zu haben, denn Variationen dieses Schuhtyps finden sich in fast allen Räumen der Ausstellung wieder.

Chopine, 1550–1650. Foto © Brooklyn Museum, Lea Ingold und Lolly Koon

Chopine, 1550–1650. Foto © Brooklyn Museum, Lea Ingold und Lolly Koon

Am bekanntesten ist wohl Noritaka Tatehanas Modell „Atom“, das durch Lady Gagas Auftritte weltweite Aufmerksamkeit auf sich zog. Wer außer ihr versteht es, sich in diesen Schuh-Objekten fortzubewegen?

Noritaka Tatehana, „Atom“, 2012–13. Foto © Brooklyn Museum, Jay Zukerkorn

Noritaka Tatehana, „Atom“, 2012–13. Foto © Brooklyn Museum, Jay Zukerkorn

Die Abteilung „Glamour and Fetish“ zeigt das Erwartbare, und die erotisch kodierten Farben Rot und Schwarz dominieren. Neben roten Lederstiefeln aus der Belle Époque, deren Schaft bis zur Leiste reicht und die ein Vorleben im alten Pariser „Pigalle“ geführt haben könnten, stehen die schwarzen Ferragamo-Pumps, auf denen Marilyn Monroe in dem Film „Manche mögen`s heiß“ herumstöckelte und Tony Curtis den Kopf verdrehte. Auf einem Bildschirm laufen in Endlosschleife Ausschnitte aus diesem Film, in dem Jack Lemon und Tony Curtis sich als Frauen verkleiden und Stöckelschuhe tragen. Es ist die einzige Anspielung in der Ausstellung auf die Szene der Drag Queens, in denen doch High Heels zur Grundausstattung gehören.

Französische Lederstiefel, The Metropolitan Museum of Art, New York, Alfred Z. Solomon–Janet A. Sloane Endowment Fund. Foto © The Metropolitan Museum of Art / Brooklyn Museum

Französischer Schaftstiefel, The Metropolitan Museum of Art, New York, Alfred Z. Solomon–Janet A. Sloane Endowment Fund. Foto © The Metropolitan Museum of Art / Brooklyn Museum

Vivienne Westwoods „Super Elevated Gillie“ aus dem Jahr 1993 ist auch zu sehen und ruft in Erinnerung, dass sich Naomi Campbell, die das Gehen in High Heels durchaus gewöhnt ist, in diesen Schuhen auf dem Laufsteg fast den Hals gebrochen hätte.

Vivienne Westwood, 1993. Foto © Brooklyn Museum, Jay Zukerkorn

Vivienne Westwood, 1993. Foto © Brooklyn Museum, Jay Zukerkorn

Überraschungen bietet „Rising From the East“ mit Abbildungen schuhtechnischer Innovationen, die aus dem Osten kommen, wie Stelzenschuhe, die bereits vor 2000 Jahren bekannt waren und ihren Trägerinnen nicht nur in römischen Badehäusern sondern auch in verschiedenen Teilen Asiens zu trockenen Füßen verhalfen, und die Jahrhunderte später die erwähnten italienischen Chopines und selbst moderne High Heels beeinflussten.

Verstörend ist die Sektion „Metamorphosis“ mit ihrer Ansammlung von Schuhen, die aus solchen Teilen von Tieren gemacht sind, die üblicherweise nicht in der Schuhherstellung verwendet werden. Sichtbar großen Abscheu riefen bei Ausstellungsbesuchern Schuhe aus Pferdehufen von Iris Schieferstein hervor. In der gleichen Abteilung wird jedoch auch der Schuh „Healing Fukushima“ gezeigt, aus dessen mechanischen Absatz beim Gehen Rapssamen fällt, der Radioaktivität absorbieren soll.

NYC I 857

„Healing Fukushima“, 2014, von Masaya Kushino und Sputniko. Foto © Rose Wagner

Noch eine Rarität ganz anderer Art ist hier ausgestellt: der surrealistische, von Salvador Dali inspirierte „Schuh-Hut“ aus schwarzem Wollfilz von Elsa Schiaparelli. Dieser Hut hat Modegeschichte geschrieben: Wie schön, ihm hier zu begegnen!

Elsa Schiaparelli, „Schuh-Hut“, Herbst / Winter 1937 / 38. Foto © Rose Wagner

Elsa Schiaparelli, „Schuh-Hut“, Herbst / Winter 1937 / 38. Foto © Rose Wagner

Spätestens in der Sektion „Metamorphosis“ hätte man den Armadillo-Schuh von Alexander McQueen erwartet. Wo, wenn nicht hier? Dieser monströse Schuh aus dem Jahr 2009, der an prähistorische Klauentiere denken lässt und Folterinstrumenten gleicht, ist in der Ausstellung bemerkenswert abwesend, obgleich er doch für eine ganze Generation von nicht tragbaren High Heels stilbildend war.

In der Sektion „Architecture“ herrschen klare Formensprache und technische Avanciertheit vor. Die hohen Schuh-Werke sind von architektonischen Prinzipien beeinflusst und zwischen modernen Möbeln und Fotos von Hochhäusern aufgereiht.

Raum „Architecture“. Foto © Brooklyn Museum

Raum „Architecture“. Foto © Brooklyn Museum

Der Raum – „Space“ – ist nicht sonderlich spezifisch, wenn man von den Fototapeten mit Weltraummotiven absieht. Eines der auffallendsten Exponate hier ist eine wilde schwarz-rote Kreation von Prada aus dem Jahr 2012, die eher an ein höllisches Inferno denken lässt als an den Weltraum.

Prada, Sandale mit Keilabsatz. Foto © Rose Wagner

Prada, Sandale mit Keilabsatz. Foto © Rose Wagner

Die ausgestellten Objekte decken die ganze ästhetische Bandbreite des hochhackigen Schuhs von zeitloser Schönheit bis zu greller Effekthascherei ab.

Roger Vivier für Haus Dior. Abendsandalette aus Seide, Metall, Synthetik, Glas, 1960. The Metropolitan Museum of Art. Foto © Metropolitan Museum of Art / Brooklyn Museum

Roger Vivier für Haus Dior. Abendsandalette aus Seide, Metall, Synthetik, Glas, 1960. The Metropolitan Museum of Art. Foto © Metropolitan Museum of Art / Brooklyn Museum

Zusätzlich wird in zwei sehenswerten Dokumentionsfilmen Wissen über Produktionstechniken vermittelt. Einer zeigt traditionelles Schuhmacherhandwerk in der Werkstatt des Hauses Salvatore Ferragamo, wo hochwertige High Heels noch weitgehend in Handarbeit gefertigt werden. Der zweite demonstriert, wie die avantgardistischen Schuhe von Iris van Herpen und Zaha Hadid mit Hilfe von 3-D-Druck entstehen.

Zaha Hadid und United Nude, „NOVA“, 2013. Foto © Brooklyn Museum, Jay Zukerkorn

Zaha Hadid und United Nude, „NOVA“, 2013.
Foto © Brooklyn Museum, Jay Zukerkorn

Die Ausstellung ist vergnüglich und anregend, manches Ausgestellte höchst irritierend. Angenehm fällt auf, dass die Kuratorin – Lisa Small – keine Deutungshoheit beansprucht, sondern den Besuchern die Bewertung überlässt. Die Dunkelheit in den meisten Räumen ‒ wohl aus konservatorischen Gründen bedingt ‒ erschwert jedoch die Erkennbarkeit der Exponate. Wer die Schuhe genauer betrachten will, muss den Begleitkatalog kaufen.

Übrigens: fast alle Besucherinnen trugen flache Schuhe.

 

Lisa Small u.a. (Hg.): Killer Heels. The Art of the High-Heeled Shoe. Ausst. Kat. Brooklyn Museum. Prestel USA, 2014, 224 S., zahlr. meist farb. Abb. ISBN-10: 3791353802

 

Titelbild: Standfoto aus dem Video “Untitled” von Steven Klein, 2014. Foto © Steven Klein, Brooklyn Museum