Ausstellung „Nach Neuem Trachten // Rote Röcke Revisited“
Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund,
Berlin >19.12..2014 – 19.01.2015

In den Ministergärten 10
10117 Berlin

Oft ist es der Titel, der das Interesse für eine Veranstaltung weckt und die Phantasie anregt. Die Fakultät „Medien, Information und Design“ der Hochschule Hannover hat für ihre Ausstellung in der Vertretung des Landes Niedersachsen in Berlin eine griffige Überschrift gewählt: „Nach Neuem Trachten // Rote Röcke Revisited“. In der Ankündigung heißt es, die Studierenden der Studiengänge Modedesign und Fotografie „wagen neue Blicke auf traditionelle Schaumburger Tracht und Kultur“.

Erst in der Rückschau wird zur Tracht, was einmal die normale Kleidung für den Alltag, die Kirche und für Feste in der hierarchisch organisierten Gesellschaft einer bestimmten Region war. Heute sorgen Elemente von Trachtenkleidung für Belebung und Farbtupfer in der aktuellen Mode, die im Gegensatz zur Tracht vom ständigen Wandel lebt und nicht regional verortet ist. Wenn sich eine Medien- und Designfakultät mit einer spezifischen Regionaltracht und ihrer Weiterentwicklung beschäftigt, sorgt das in der Modewelt für Aufmerksamkeit, und weil der Titel der Ausstellung so vielversprechend klingt, mache ich mich trotz Sturmböen und Regen auf den Weg in die „Ministergärten“ am Potsdamer Platz, wo sich die Landesvertretungen angesiedelt haben.

An diesem stürmischen Regennachmittag ist das zentrale Atrium der Landesvertretung menschenleer. Der Blick fällt auf eine Reihe mit Monitoren. Auf vier von fünf Bildschirmen läuft in Endlosschleife eine Dia-Show mit den ausgestellten Modefotos. Auf der Wand dahinter ist zu lesen: „Die Fotografie setzt die Mode ins Licht“. Darunter ist eine Reihe von Namen aufgelistet. Sind es die Designer? Die Fotografen? Beide?

Monitore in der Ausstellung. Foto © Rose Wagner

Monitore in der Ausstellung. Foto © Rose Wagner

Eine Reihe großformatiger Fotos steht an zwei Seitenwänden der weitläufigen Eingangshalle. Sie sind hübsch anzusehen, doch auf keinem ist der Namen des Fotografen oder des Designers angegeben. Spielt die Autorschaft keine Rolle?

Blick in die Aussstellung. Foto © Rose Wagner

Blick in die Aussstellung. Foto © Rose Wagner

An vier große Stelltafeln sind Fotos geheftet, die jeweils um ein bestimmtes Thema zu kreisen scheinen. Auch hier keine Beschriftungen. Geht es um Mode? Land und Leute? Geselliges Beisammensein? Worin besteht der Bezug zur Schaumburger Tracht? Das Ordnungsprinzip der Ausstellung erschließt sich mir nicht.

Stelltafel. Foto © Rose Wagner

Stelltafel. Foto © Rose Wagner

Auf erklärenden Text wird bis auf einige kurze Angaben, die auf der Rückseite einer Stellwand zu finden sind, verzichtet. Ihnen ist zu entnehmen, dass es sich hier um ein Anschlussprojekt zu einem Unternehmen aus dem Jahr 2010 handelt, das sich mit der Schaumburger Tracht befasste. Für die aktuelle Ausstellung fotografierten Studenten des Studiengangs Fotojournalismus und Dokumentarfotografie Entwürfe aus den Kollektionen ihrer Modedesign-Kommilitonen.

Die Motive der Modefotos reichen von der Romantik – mit einem Foto, das Carl Spitzwegs „Sonntagsspaziergang“ von 1841 nachempfunden ist –, bis zur Abu-Graib-Anmutung mit verhüllender Kapuze. Solche Bild-Inszenierungen sind seit einigen Jahren aus der internationalen Modefotografie bekannt.

Fotograf nicht bekannt. Foto © Rose Wagner

Fotograf nicht bekannt. Foto © Rose Wagner

In den vielen Fotos der Ausstellung, die auf Bauernhöfen, in Scheunen und auf Feldern gemacht wurden, spiegelt sich die Wirklichkeit des agrarisch geprägten Bundeslandes Niedersachsen wieder.

Fotograf und Designer nicht bekannt. Foto © Rose Wagner

Fotograf und Designer nicht bekannt. Foto © Rose Wagner

„Ich fandz gut“, hat eine Fanny ins Gästebuch geschrieben. Ich hätte es noch besser gefunden, wenn die Ausstellung erkennbar kuratiert wäre und etwas zu den Designern, Fotografen und ihren Intentionen mitgeteilt würde. Vermisst habe ich vor allem eine Aufklärung über die Schaumburger Tracht. Was hat es mit den „Roten Röcken“ auf sich, die im Titel erwähnt werden? Von einer Veranstaltung, die sich explizit auf eine ganz bestimmte „traditionelle Tracht und Kultur“ bezieht, wären zumindest ein paar sachdienliche Hinweise zu erwarten gewesen.

Die Besonderheit der Schaumburger Tracht sind auffällige rote Frauenröcke mit buntem Saumband, bestickte Schürzen und Schultertücher, gestrickte Unterarmstulpen und ausladende Flügelhauben. Doch die Berliner Ausstellung vermittelt noch nicht einmal rudimentäres Wissen über diese niedersächsische Regionalkleidung. Wie soll ein Ausstellungsbesucher die Originalität der gezeigten Arbeiten beurteilen, die sich doch gerade auf diese spezifische Kleidung beziehen? An welchem Bezugssystem sollen die Arbeiten gemessen werden?

Die unkommentierte Präsentation wird den Arbeiten der studentischen Designer und Fotografen nicht gerecht, weil die fehlende Kontextualisierung Bewertung und Einschätzung unmöglich machen. So wirken die ausgestellten Modefotografien zwar hübsch, aber auch beliebig.

Fotograf und Designer nicht bekannt. Foto © Rose Wagner

Fotograf und Designer nicht bekannt. Foto © Rose Wagner

Titelbild: Gestrickte Unterarmstulpen. Dia-Show. Fotograf und Designer nicht bekannt. Foto © Rose Wagner