Splash! A Century of Swimming and Style
Design Museum London
>28. März – 17. August 2025
Alles, was einem spontan zum Thema Schwimmen einfällt – und noch weit mehr – führt das Design Museum London in einer einzigen Ausstellung zusammen. Rund um die Bademode lassen sich gesellschaftliche Entwicklungen und die Veränderungen von Wertvorstellungen in den vergangenen hundert Jahren ablesen. Den Vorwurf der Wokeness scheut das Kuratorenteam augenscheinlich nicht.

Blick in den Pool-Saal. Foto © Rose Wagner.
Die Schau ist in die Bereiche Pool, Lido und Natur unterteilt. Eine strikte thematische Abgrenzung ist damit allerdings nicht verbunden. Gezeigt werden gut 200 Objekte. Gastkuratorin ist die Design-Historikerin Amber Butchart, bekannt für ihre Beiträge in der BBC-Serie „The Great British Sewing Bee“.

Gastkuratorin Amber Butchart vor Exponaten. Foto © Design Museum London.
Bei meinem Besuch in Juni 2025 sprang mir im Pool-Saal als Erstes die Bedeutung olympischer Spiele für Innovationen jeglicher Art ins Auge. Da war zum Beispiel das unvergessliche Werbeplakat David Hockneys für die Sommerspiele 1984 in Los Angeles: „Swimmer“. Schöner kann ein kalifornischer Sommer nicht eingefangen werden. Dieses Pool-Plakat setzte Maßstäbe für das visuelle Marketing internationaler Schwimmsportwettkämpfe. Wie überzeugend Funktionalität und Ästhetik zusammengebracht werden können, veranschaulichte ein maßstabgerechtes Modell der spektakulären Wassersportarena für die Olympischen Sommerspiele 2012: „London Aquatics Centre“. Die Architektin Zaha Hadid versah den Bau mit einem wellenförmigen Dach. Auch in Bezug auf Nachhaltigkeit setzten die Spiele von 2012 ein Zeichen. Die Schwimmanzüge aus recyceltem Polyamid für das britische Team kreierte Stella McCartney in Zusammenarbeit mit Adidas.

Prototyp Schwimmanzug und Musterproben; Stella McCartney/Adidas. Foto © Rose Wagner.
Die Geschichte der Materialentwicklung für Badebekleidung wäre eine eigene Ausstellung wert. In „Splash“ wird das Thema zwar nur angetippt, doch mit anschaulichen Beispielen versehen.
Welche Erleichterung muss bei Schwimmern geherrscht haben, als nach der Erfindung des hochelastischen Lycra-Garns klobige Wollbadeanzüge ausgemustert werden konnten.

Muster und Materialproben. Lycra-Badeanzug rechts im Bild. Foto © Rose Wagner.
Ein für die Olympiade 2008 in Peking entwickelter superleichter Hightech-Ganzkörperanzug ─ LZR Racer ─ schlug hohe Wellen. Das designtechnische Wunderwerk, aus einem neuartigem Synthetik-Gemisch und mit Ultraschall verschweißt, ging aus einer Kooperation des Badebekleidungsherstellers Speedo mit der NASA und dem Modeunternehmen Comme des Garçons hervor. Nachdem Dutzende von Schwimmern im LZR Racer Rekorde gebrochen hatten, verbot der internationale Wassersport-Dachverband 2010 das Tragen des Anzugs bei Wettkämpfen. Die Begründung lautete: „technisches Doping“.

LZR Racer. Foto © Luke Hayes/Design Museum London.
Die Community derjenigen, die sich dem Kreis von LGBTQIA+ (= Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender, Queer, Intersexual, Asexual; Pluszeichen als Platzhalter für weitere Geschlechtsidentitäten) zurechnen, wird durch etliche Exponate gewürdigt. Auch BIPOC (= Black, Indigenous, and other People of Color) wird zur Sichtbarkeit verholfen, etwa durch die Synchron-Schwimmerinnen „Subversive Sirens“, die sich für „Black liberation, radical body aceptance and queer visibility“ einsetzen. Ihr schwarzer „BIPOC Trans Flag swimsuit“ glänzt mit Klebe-Pailletten in allen Farben des Regenbogens.

BIPOC-Badeanzug der “Subversive Sirens” und Goldmedaille von den “Gay Games” 2018 in San Francisco. Foto © Rose Wagner.
Die präzise Performance der „Sirens“ lässt sich in einer Video-Dokumentation verfolgen, die in Endlosschleife läuft. Die lauten, prononciert-zackigen Kommandos der Trainerin bilden einen Soundteppich, aus dem im Pool-Saal kein Entrinnen möglich ist.

Subversive Sirens. Foto © Ackerman/Gruber.
Im Saal Lido (= Freibad, Strand) wird ein Allerlei historischer und aktueller Bademode entfaltet. Das reicht von wollenen Schwimmanzügen der 1920er-Jahre über den Siebziger-Jahre-Lycra-Glamour von Will Smith ─ erfolgreichster African-American Designer seiner Zeit ─ bis zu einem skulpturalen Couture-Gebilde der Designer Victor und Rolf (2023), das nie das Wasser sehen wird, weil es dafür überhaupt nicht gedacht ist.

v.l. „Luxury Modest Swimwear“, Manuuk 2024; „Beach Jumpsuit“, Fernando Cozendey 2023; „Couture Swimsuit“, Victor & Rolf 2023. Foto © Luke Hayes/Design Museum London.
Mit einem guten Dutzend Schwimmanzügen aus Massenproduktion (z.B. Topshop) sowie Exklusiv-Modellen (z.B. Versace, Off White) werden Veränderungen im Stil und beim Muster dokumentiert. Auffallend ist das Comeback von Dreieck-Badeslips für Männer – im englischen Sprachgebrauch als Speedos bezeichnet.

Blick in die Ausstellung. Foto © Luke Hayes/Design Museum London.
Mit Fitness-Magazinen aus den 1950er- und 1960er-Jahren – Homosexualität stand im Vereinigten Königreich noch unter Strafe – geht der Blick zurück in eine dunkle Zeit. In Magazinen wie „The Young Physique“ oder „Physique Artistry“ gaben sich Fotoserien mit wohlgestalteten jungen Männern in knappen Höschen als Reportagen über Bademode aus, waren jedoch in Wirklichkeit kaum verbrämter Softporn. Insbesondere Werbeanzeigen für den Versand sparsamer, beutelförmiger Glied-Abdeckungen („Now! Get full protection!) und kurzen, weitgeschnittenen Badehosen ohne blickhemmende Innenslips fallen in diese Kategorie.

Blick auf Vitrine mit Fitness-Magazinen und Badehosen 1960er. Foto © Rose Wagner.
Selbst wenn sich in (den meisten) westlichen Gesellschaften die Moralvorstellungen in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert haben, bedeutet das nicht, dass dies überall auf der Welt gilt.
Dass Schwimmen nicht notwendigerweise mit viel nackter Haut einhergehen muss, belegen Ganzkörper-Badeanzüge für Frauen in der islamischen Welt.

„Into the Sea“, Ganzkörper-Badeanzug und Hijab, Finisterre 2022. Ölbild „The Saltwater Within Us/The Depth of Our Grief/The Leagues of Our Love“, Phoebe Boswell 2023. Foto © Rose Wagner.
In deutlichem Kontrast zu dieser Körperverhüllung steht der 1946 mit viel Tamtam in Frankreich lancierte erste Bikini, geschmacklos benannt nach dem Bikini-Atoll im Pazifischen Ozean, wo seinerzeit amerikanische Kernwaffentests durchgeführt wurden.

Links “Monokini”, Rudi Gernreich ca. 1964; rechts Bikini 1946. Foto © Luke Hayes/Design Museum London.
Auch Rudi Gernreichs als Monokini bezeichneter Badeanzug kommt mit wenig Stoff aus. Das brustfreie Modell war allerdings als Statement zur „Befreiung der Frauen von der Übersexualisierung“ gedacht. Gernreich war überzeugt, dass zur Schau getragene Nacktheit zu ihrer Normalisierung beitragen würde. Der Designer gehörte zu den Ersten, die den Begriff „Unisex“ verwendeten und Mode schufen, die beide Geschlechter gleichermaßen tragen konnten. Von weiteren Geschlechtsidentitäten war damals noch keine Rede, jedenfalls nicht bei Gernreich, der aus seiner Homosexualität kein Geheimnis machte.
Die Ausstellung zeigt verschiedene Facetten von Unisex-Bademode. Das früheste Beispiel stammt aus den 1920er-Jahren. Damals konnten sich nur wenige Ferien am Meer oder den regelmäßigen Besuch eines lokalen Hallenbades leisten, wenn es dergleichen überhaupt gab. Unter solchen Umständen schaffte man sich keinen eigenen Badeanzug an. Ein Leih-Schwimmanzug war die Lösung. In einer Vitrine ist einer zu sehen: aus Wolle, einteilig, formlos, missfarben und tragbar für jedes Geschlecht, jede Größe und jedem Leibesumfang. Man musste hart im Nehmen sein, um in einem derartigen, schnell mit Wasser vollgesogenen Badeanzug zu schwimmen, zumal er möglichweise zuvor bereits an vielen Körpern geklebt hatte.
Die in „Splash“ präsentierte neueste Unisex-Bademode ist ansprechender und funktionaler. Sie kommt mit einem Weltver-besserungsanspruch daher, wie sich aus einer Info-Tafel herauslesen lässt: „Here, we celebrate contemporary designers whose work enhances bodily autonomy and agency, and challenges previous ideas around access to pools and beaches“.

Unisex und adaptive Schwimm-Mode. Foto © Rose Wagner.
Da ist zum Beispiel das Modell eines genderneutralen Badeanzuges des Labels Beefcake zu sehen, produziert in einer „LGBTQ+-owned company“, wie betont wird. Das Modell „Cruz Suit“ weist im Unterteil ein spezielles Kompressionsfutter auf, „designed for trans, non-binary and intersex bodies“. Das ist sicherlich ein bedeutender Fortschritt beim Tragekomfort.

“Cruz Suit”, Chromat Babes 2021; “Blobsuit”, Usual Objections 2020; adaptiver Badeanzug mit speziellem Schulterverschluss, Girls Chronically Rock, ca. 2022. Foto © Rose Wagner.
Eingereiht in die LGBTQ+-Bademode ist das Modell „Blob Swimsuit“, das durch einen großen roten Menstruationsfleck auffällt. Die Info-Tafel spricht von einem „piece of ‘activism’ to open up conversations around menstruation, period stigma and swimming“.
Irritierend fand ich, dass zwischen mehr oder weniger aktionistische Schwimmanzüge auch adaptive Bademode eingeordnet war, darunter ein Bikini für brustamputierte Frauen.

“Picture Me Better”, Bikini, Eno 2022. Foto © Rose Wagner.
Strandmode und Bade-Accessoires kommen in der Ausstellung ohne politisch konnotierte Kommentare aus. Unter der historischen Strandkleidung fällt eine fröhliche Frottee-Kombination („Burberry’s beachwear, 1980s“) durch ein markantes Gelb-Schwarz-Farb-Schema auf, das an die Vereinsfarben des Fußballclubs Borussia Dortmund (BVB) erinnert.

Strandmode. Foto © Luke Hayes/Design Museum London.
Der Verbindung von Schwimmsport und Unterhaltung wird viel Aufmerksamkeit geschenkt. Wir begegnen Johnny Weissmuller, nach Olympiasiegen im Freistilschwimmen zum Star der Tarzan-Filme aufgestiegen, der „Badenden Venus“ Esther Williams, die in Aqua-Musicals herumschwamm, Ursula Andress, im James-Bond-Film Dr. No dem Meer im weißen Bikini mit Gürtel entsteigend, und nicht zuletzt Pamela Anderson, deren roter Badeanzug mit extra hohem Beinausschnitt in der TV- Serie Baywatch hohe Wellen schlug. Sie alle bereicherten das kollektive Gedächtnis ihrer Generation mit unvergessenen Posen und Schwimmanzügen.

Pamela Andersons Baywatch-Badeanzug. Foto © Luke Hayes/Design Museum London.
Der letzte Saal der Ausstellung ─ Natur ─ wirkt wie ein Nachklapp mit Restbeständen, die nicht außen vor bleiben sollten. Dazu zählen Meerjungfrauen – für die Ausstellung wurde ein zwei Meter langer Nixenschwanz aus Silikon modelliert –, die heilende Wirkung von Wasser sowie Naturmotive auf Schwimmanzügen. Ein Gefühl von Esoterik kommt auf.

Meerjungfrauen – Installation. Foto © Lukes Hayes/Design Museum London.
Man hätte sich eine konsequentere Strukturierung und eine Reduzierung von Themen zugunsten der Vertiefung einzelner Aspekte vorstellen können. Manche Behauptung wirft Fragen auf und ruft nach Differenzierung. So wird im Zusammenhang mit dem Thema Bäderarchitektur die Problematik des Ausschlusses bestimmter Gruppen angeschnitten. Im Nationalsozialismus traf der Bann Juden, in den USA zur Zeit der Segregation Schwarze. Die Gleichsetzung – hier Juden dort Schwarze – ist so nicht haltbar.
Dennoch: „Splash!“ ist sehenswert.
Titelfoto: Subversive Sirens. © Design Museum, Foto von Ackerman und Gruber.