Ihre textilen Skulpturen sind groß und wirken düster und beunruhigend.

Es scheint sich um Menschenkörper ohne Kopf zu handeln – Magdalena Abakanowicz selbst sprach von Mutanten.

Blick in die Ausstellung im TextilWerk Bocholt, 2012. Foto © Rose Wagner

Blick in die Ausstellung im TextilWerk Bocholt, 2012. Foto © Rose Wagner

Sie gestaltete Serien von Gliedmaßen, die wirken, als seien sie mit roher Gewalt von Menschenkörpern abgetrennt worden.

Magdalena Abakanowicz im TextilWerk Bocholt, 2012. Foto © Rose Wagner

Magdalena Abakanowicz im TextilWerk Bocholt, 2012. Foto © Rose Wagner

Magdalena Abakanowicz (20.06.1930 – 20.04.2017) galt als die führende bildende Künstlerin Polens. Sie fand international Aufmerksamkeit; ihre Werke sind in Sammlungen des Metropolitan Museum of Art in New York und in der Tate Modern in London vertreten. In Deutschland waren ihre Skulpturen in Ausstellungen in der St.-Elisabeth-Kirche in Berlin und im LWL-Industriemuseum – TextilWerk – in Bocholt zu sehen.

Magdalena Abakanowicz war Mitglied der Berliner Akademie der Künste und Trägerin des Ordens Pour Le Mérite sowie des Großen Bundesverdienstkreuzes.

Lange hing der Textilkunst der Geruch des weiblich Kunstgewerblichen, des niedlich Unverbindlichen, der Nadelarbeit und des feinsinnig Harmlosen an. Künstlerinnen wie Annie Albers und Sophie Taeuber-Arp setzten zwar schon in den 1920er Jahren mit abstrakten Webmustern und schnörkellosen Wollstickereien neue Akzente, doch insgesamt hielt sich das Image des Betulichen und Hausfraulichen für textile Werke lange und hartnäckig. Spätestens mit Louise Bourgeois und ihren riesigen Spinnenwesen, ihren mit Bedeutung aufgeladenen Installationen und Stoffarbeiten änderte sich die Wahrnehmung in der Kunstszene und der breiten Öffentlichkeit.

Heute differenziert sich die Textilkunst immer weiter aus und ist gleichzeitig politisch und anspielungsreich wie nie zuvor. Allein im Jahr 2016 waren in Berlin zwei bedeutende Vertreterinnen der neueren Textilkunst mit ihren Werken vertreten. Der Hamburger Bahnhof zeigte Stoffarbeiten von Gülsün Karamustafa, und Chiharu Shioto durchzog die alte Industriehalle der Galerie Blain Southern mit roten Fäden und bereicherte die Vorstellung von Verflechtungen um eine neue Dimension.

Magdalena Abakanowicz schuf ihre Skulpturen aus Sackleinwand, Sisal, Klebstoff und Harz. Sie verwendete grobe Stoffe für ihre textilen Arbeiten. Sie schuf Wesen, die grob und entfremdet erscheinen und vage Vorstellungen über Unverstehbares und Uneindeutiges hervorrufen; sie lassen Raum für Interpretationen und setzen Phantasien frei.

Tierwesen? Skulpturen von Magdalena Abakanowicz im TextilWerk Bocholt, 2012. Foto © Rose Wagner

Tierwesen? Skulpturen von Magdalena Abakanowicz im TextilWerk Bocholt, 2012.
Foto © Rose Wagner

Der Gedanke an die Katastrophen des 20. Jahrhunderts mit Entmenschlichung, Krieg, Gewalt und Vertreibung liegt nicht fern. So viel Düsternis wie bei Magdalena Abakanowicz ist selten.