Ausstellung „Déboutonner la mode“
Musée des Arts décoratifs, Paris > 10.02. ‒19.07. 2015
Während der Französischen Revolution trugen manche ihrer Anhänger als Zeichen ihrer Gesinnung Knöpfe mit revolutionären Motiven oder mit Porträts der führenden Köpfe der Bewegung. In Louis Pergauds Jugendbuch „Krieg der Knöpfe“ aus dem Jahr 1912 bekriegen sich die Jungens zweier Dörfer und schneiden sich gegenseitig die Knöpfe und damit die Ehre ab. Knöpfe sind nicht nur zweckmäßige Objekte, sie können auch einen hohen Symbolwert haben.
Doch vor allem sollen sie etwas schließen, befestigen oder zusammenfügen; darüber hinaus können sie ein Kleidungsstück schmücken und strukturieren. Material, Anzahl sowie Anordnung von Knöpfen lassen Rückschlüsse auf eine konkrete historische Zeit, den sozialen Status des Trägers, gesellschaftliche Veränderungen sowie den Wechsel der Moden zu.
Das Musée des Arts décoratifs widmet diesen Miniatur-Objekten eine opulente Ausstellung. Die Grundlage dafür bilden mehr als 3000 Knöpfe, die der französische Sammler Loïc Alio im Jahr 2012 dem Museum schenkte und die als schützenswertes nationales Kulturgut eingestuft wurden. Die Sammlung gilt wegen der Rarität vieler Objekte und der Vollständigkeit einzelner Serien als weltweit einzigartig; die meisten Knöpfe sind französischer Provenienz. Deshalb steht in der Ausstellung die französische Modegeschichte im Mittelpunkt.
Unter den Knöpfen — sie umspannen den Zeitraum vom letzten Drittel des 18. Jahrhunderts bis zu den 1960er Jahren — finden sich solche aus Perlen, Diamanten, Glas, Leder, Pelz, Knochen, Kunstharz, Plastik, Stroh, Metall, Porzellan und Pappmaché. Manche sind schlicht, andere überbordend dekorativ.
Es gibt Knöpfe mit floralen, erotischen, politischen oder religiösen Motiven — die ganze Bandbreite möglicher Einstellungen, persönlichen Geschmacks oder spezifischer Vorlieben kommt in diesen Miniatur-Objekten zum Ausdruck.
Jeder Knopf in der Ausstellung ist etwas Besonderes, geschaffen von Stickerinnen, Keramikerinnen, Porzellanmalern, Glasbläsern, Holzschnitzern, Silberschmieden und anderen Handwerkern, deren Fertigkeiten heute zu einem Großteil in Vergessenheit geraten sind.
Knöpfe können kleine Kunstwerke sein, und seit der Mitte des 19. Jahrhunderts spiegeln sich in ihnen alle neuen Kunstrichtungen wider. Etliche Knöpfe der Sammlung von Loïc Alio stammen von bekannten Künstlern wie dem Maler Jean-Honoré Fragonard (1732-1806), dem Porzellan-Künstler Camille Naudot (1862-1938), der Malerin Sonia Delaunay (1885-1979) oder dem Bildhauer Alberto Giacometti (1901-1966).
Die Ausstellung wurde von der Kunsthistorikerin Véronique Belloir kuratiert und von dem Designer Eric Benqué in Szene gesetzt. Sie zieht sich über zwei Etagen, ist chronologisch gegliedert und zeigt weit mehr als nur Knöpfe. Mehr als 100 Kleidungsstücke und Accessoires in Vitrinen rahmen die Knopfsammlung ein. Das visuelle Zusammenspiel zwischen den Objekten der Alio-Sammlung und den Kleidungsstücken, die nicht nur aus dem Bestand des Musée des Arts décoratifs stammen, ist faszinierend. Auch Leihgaben anderer Häuser liefern anschauliche Belege für einzelne Knopftypen und Modeperioden. So ist das Museum für Film und Fernsehen Deutsche Kinemathek aus Berlin mit zwei Modellen von Elsa Schiaparelli aus den 1930er Jahren vertreten, die aus dem Nachlass von Marlene Dietrich kommen. Die ungewöhnlichen Knöpfe dieser Garderobe wurden von François Hugo (1899-1981) nach einer Vorlage von Alberto Giacometti respektive von Jean Clément (1900-1949) gestaltet.
Informationstafeln vermitteln Hintergrundwissen und charakterisieren einzelne Epochen. Hinzu kommen Raum-Installationen mit Fototapeten, die Szenen aus dem sozialen und kulturellen Leben einer bestimmten Zeit wiedergeben. Außerdem werden zeitgenössische Gemälde, Modejournale, Musterbücher sowie Modefotografien präsentiert.
Den Auftakt der Ausstellung bildet ein halbes Dutzend Herrenröcke aus edlen, aufwändig bestickten Stoffen, die mit bis zu achtzehn kostbaren Knöpfen bestückt sind, von denen jedoch nicht mehr als zwei, höchstens drei, tatsächlich funktional sind. Diese Habits à la Française waren seit Mitte des 18. Jahrhunderts in höfischen und adligen Kreisen das Nonplusultra.
Knöpfe und Knopflöcher, egal ob zweckmäßig oder reine Zierde, folgten einem strikten Code, der den ökonomischen und sozialen Status des Trägers anzeigte. Der Wert der Knöpfe überstieg nicht selten den des kostbaren Stoffes, aus dem das Kleidungsstück gefertigt war. Die Knopfproduktion war streng reguliert und je nach Material und Verfahren der Herstellung auf bestimmte Handwerke beschränkt. Edelmetall durfte nur von Silberschmieden zu Knöpfen verarbeitet werden.
In der Damenmode war der Knopf im 18. Jahrhundert weitgehend abwesend. Das änderte sich in der Folge der Französischen Revolution, als die opulenten Knöpfe aus der Herrenmode verschwanden und in die Damenmode wanderten. Die zunehmende Beliebtheit des Knopfes wurde durch die Übernahme der englischen Redingote-Mode gefördert, in der Knöpfe ein konstitutives Stilelement bildeten. Das Kyoto Costume Institute steuerte für die Ausstellung ein leuchtend rotes Redingote-Mantelkleid aus England um 1810 bei, das im damals beliebten Husarenstil gehalten ist und von oben bis unten durchgehend mit fast zwei Dutzend auffälligen Knöpfen geschlossen wird.
Dieses Redingote-Kleid steht stellvertretend für die Beeinflussung der Damenmode durch den Schnitt und die Ästhetik der Herrenkleidung und die damalige Vorliebe für alles Englische. Außerdem zeigt es sehr anschaulich die Bedeutung von Knöpfen für die ausgewogene Kontur eines Kleidungsstückes.
Das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts brachte eine Wende in der Damenmode mit einer neuen linearen Silhouette, die mit einer Vielzahl kleiner Knöpfe entlang der Kleidernähte markiert wurde. Paul Poiret (1879-1944) war der erste Couturier, bei dessen Kreationen Knöpfe eine zentrale Rolle spielten. Der Maler Maurice de Vlaminck (1876-1958) schuf Knöpfe speziell für Poirets Kollektionen.
Auch im Werk der bereits erwähnten Elsa Schiaparelli nahmen Knöpfe einen besonderen Platz ein. Sie war die erste Modeschöpferin, die auch Abendkleider mit — vor allem überdimensionierten — Knöpfen versah.
Coco Chanel setzte dagegen Knöpfe streng nach der Maxime ein: Keine Knöpfe ohne Knopflöcher. Christian Dior zeichnete mit Knöpfen die Linien des weiblichen Körpers nach. Yves Saint Laurent übertrug neben anderen Elementen aus der Herrenmode auch zweireihig geknöpfte Jacken in die Damenmode. Cristóbal Balenciaga verwendete Knöpfe sparsam zur Hervorhebung der strengen Architektur seiner Entwürfe. Bei André Courrèges betonten sie den geometrischen Aufbau des Kleidungsstückes. Alle Modeschöpfer beschäftigten bekannte Kunsthandwerker und Goldschmiede für die Kreation ganz besonderer Knöpfe.
Die Ausstellung zeigt auch einige aktuelle Haute-Couture-Modelle mit Knöpfen, wie ein Kleid von Raf Simons aus seiner zweiten Kollektion für Dior, das mit einer fließenden Linienführung an die modische Tradition des Hauses anschließt.
Knöpfe spielen derzeit in der Kleidung nur noch eine marginale Rolle. Es ist gut zu wissen, dass sich in der Mode vieles wiederholt.
Begleitend zur Ausstellung erschien ein Katalog mit informativen Beiträgen u.a. zur Bedeutung des Knopfes für Männer- und Frauenkleidung vom 18. bis 20. Jahrhundert, über den Knopf als künstlerisches Ausdrucksmittel sowie über Aufstieg und Niedergang der französischen Knopfindustrie.
Véronique Belloir (Hg.): Déboutonner la Mode. Ausstellungskatalog Paris, Musée des Arts décoratifs, 2015, 144 S., 135 meist farb. Abb. ISBN 978-2-916914-54-1
Titelbild: Knöpfe aus den 1920er Jahren der Sammlung von Loïc Alio. Foto © Rose Wagner