Seit dem Frühjahr 2013 zeigen ausgewählte Berliner Labels während der Pariser Modewochen in einem vom Senat organisierten Showroom ihre Frühjahrs- und Herbstkollektionen. Das sind vier Veranstaltungen im Jahr, die vom Senat finanziert werden, denn die Herren- und Damenmode wird noch immer zu unterschiedlichen Terminen gezeigt. Die Gruppenausstellung mit der Damenkollektion für den kommenden Herbst fand vom 06. -08. März in einer kleinen Halle in der Nähe des Place de la République statt.
Wie stellt sich die Berliner Mode in Paris dar?
Eines wurde auf den ersten Blick deutlich: Einen einheitlichen Berliner „Look“ gibt es nicht; es kann ihn auch nicht geben, denn die Designer haben jeweils ihre eigene Handschrift; und in der globalisierten Modewelt mit ihrer Instagram-Schnelligkeit gibt es nicht mehr die mit absoluter Eindeutigkeit zu identifizierenden Trends einer Saison. Wenn man doch so etwas wie eine Berliner Besonderheit konstatieren will, dann ist das die Abwesenheit von übersteigerter Extravaganz und überbordendem Luxus sowie die Internationalität der Designer. Sie kommen aus Deutschland, Österreich, Kanada, Japan, Vietnam und Tadschikistan oder haben familiäre Wurzeln in Laos, Rumänien und Frankreich.
Im jedem kreativen Prozess ist die Inspiration das Wichtigste. Woher die Ideen kommen, was am Anfang der Schöpfung einer neuen Kollektion, eines neuen Entwurfes steht, ist von Designer zu Designer unterschiedlich.
Caroline Rohner und Inna Stein vom Label Steinrohner gehen immer von einem Thema aus – in diesem Fall „Vulkaninseln“. Ihren expressiven Prints liegen Fotos von Lavaströmen zugrunde, die sie selbst aufgenommen haben.
Für jede Kollektion entwerfen sie etwas Dreidimensionales.
Hien Le übernahm für seine aktuelle Kollektion Anregungen aus der Arbeitswelt; so symbolisiert beispielsweise ein Print mit digitalisierten blauen Pinselstrichen die Tätigkeit eines Malers.
Für seine Damen- und die Herrenkollektion wählt der Designer stets das gleiche Thema, lediglich die Schnitte werden entsprechend variiert.
Mariko Takahashi und Eugenie Schmidt von Schmidttakahashi lassen sich von Altkleidern anregen, von deren Material oder ungewöhnlichen Details. Das wird die Grundlage von etwas Neuem – dem „Unikat“ –, das sie dann aus neuen Stoffen nachschneidern lassen. Auf diese Weise entstehen „Duplikate“, die in den Handel gehen. Schmidttakahashi entwerfen ebenfalls Damen- und Herrenmode. Auch bei ihnen gilt, dass zwar Schnitte und Größen angepasst werden, es aber keinen grundsätzlichen Unterschied im Stil gibt.
Label wie Hien Le und Schmidttakahashi gehören zu den Vorreitern einer Post-Gender-Mode, die international immer stärker an Bedeutung gewinnt.
Eleonore von Schwanenflügel und Stephanie Pupke beziehen die Motive für die Prints ihrer Seidenschals aus dem Alltag. Die Schals erscheinen wie ein Inbegriff von Weiblichkeit – im europäischen Kontext. Doch Eleonore von Schwanenflügel hat die Erfahrung gemacht, dass die bunten Tücher in Japan vor allem bei jungen Männern beliebt sind.
Die gerade geschnittenen Drucke werden auch für Kleider verarbeitet. Neu im Sortiment sind T-Shirts aus weicher griechischer Baumwolle mit Motiven aus der Küche.
Auch das Label Âme Soeur der Schwestern Sabina und Madina Taschén hat ausdrucksstarke Prints im Sortiment, die in Italien und Indien gedruckt werden. Ihre Schnitte bezeichnen die Schwestern als „Origami“-mäßig, weil die Teile jeweils nur aus einem einzigen Stück bestehen, das in besonderer Weise drapiert wird.
Die Mode von Marina Hoermanseder wirkt ausgesprochen feminin. Auf den zweiten Blick trübt sich das Bild von ungebrochener Weiblichkeit. Für Hoermanseder ist die Orthopädietechnik eine wichtige Inspirationsquelle. Röcke und Oberteile mit einer Vielzahl miteinander verbundener Gürtel und Dutzenden von Schnallen haben etwas Morbides und rufen die Praktiken des Leipziger Arztes Moritz Schreber in Erinnerung, der seinen Kindern Zwangsapparaturen anlegte, um eine gerade Körperhaltung zu erziehen.
Arne Eberle von der Presseagentur, die als Mitveranstalter der Showrooms auftritt, war so fasziniert von Hoermanseders Orthopädie-Design, dass er sich von ihr seine schwarzen Sportschuhe mit nude-farbenen Schnallen aufpeppen ließ.
Einen Gegenpol zu den rigorosen Leder-Apparaturen bilden federleichte Mohair-Pullover in strahlenden Rot- und Blautönen.
Zum ersten Mal in Paris mit dabei ist das Label Cruba, das ansonsten neben DSTM und Starstyling zu den wenigen Berliner Labels gehört, die sowohl im Berlin Showroom in der französischen Hauptstadt als auch dem in New York ihre Kollektion zeigen. Die Mode von Cruba zeichnet sich durch eine architektonische Schnittführung – oft mit Schrägführung –, hochwertige Materialien und raffinierte Details aus.
Die Stärke des Labels Pugnat liegt beim Strick. Antje Pugnat lässt sich von Renaissance-Kleidung inspirieren, was sich in betonten Oberärmeln niederschlägt.
Das Schöne am Berlin Showroom ist das breite Spektrum beim Stil, der Schnittführung und den Materialien. Es ist Mode für jede Altersgruppe dabei.
Es gibt die schrillen und witzigen Entwürfe des Labels Starstyling mit seiner Designerin Katja Schlegel. Deren Mode kann man sich gut bei sehr jungen Frauen oder auch bei älteren exaltierten vorstellen.
Die Mode aus schwarzem Latex und Leder von DSTM und seiner Designerin Jen Gilpin ist ebenfalls für Frauen gedacht, die das Expressive mögen. DSTM zeigt lustvolle Erotik und Betonung des weiblichen Körpers.
Das Label Perret Schad von Johanna Perret und Tutia Schaad zeichnet sich durch fließende Linien und einen zurückhaltend eleganten Stil aus.
Isabell de Hillerin besticht mit strengen und klaren Linien und markanten Schmuckbordüren, die doch der Gefahr folkloristischer Überladung entgehen.
Die Berliner Mode, wie sie sich im Pariser Showroom präsentiert, ist bis auf die Ausnahme von Hien Le weiblich, überwiegend jung und meistens aus dem Osten der Stadt.
In den offiziellen Verlautbarungen heißt es, dass sich um einen „repräsentativen Querschnitt“ des in Berlin ansässigen Modedesigns handelt. Auf jeden Fall ist das Spektrum breit, das schneidertechnische Niveau hoch und an Originalität mangelt es nicht. Vielleicht besuchen deshalb so viele asiatische Einkäufer seit Jahren den Berlin Showroom. In diesem Jahr soll die Zahl der Order erneut gestiegen sein.
Titelfoto: Modelle von Starstyling. Foto © Rose Wagner