Ausstellung „Gilded New York“
Museum of the City of New York > 13.11.2013 – 30.11.2014
Nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg häuften einige Industrielle und Bankiers in kürzester Zeit riesige Vermögen an und breiteten ihren neuen Reichtum öffentlich in einer Weise aus, wie es bis dahin noch nicht gesehen wurde. Mark Twain prägte für diese Epoche den Begriff des Gilded Age. Er sah sie vor allem durch Gier, Materialismus und Korruption geprägt. Die meisten Neureichen zog es nach New York, wo sie seit Ende des 19. Jahrhunderts das öffentliche Leben der Stadt bestimmten. Das New Yorker Stadtmuseum zeigt ihre Ballroben, Preziosen und Gemälde.
Wer die Romane von Henry James gelesen oder Martin Scorseses Verfilmung von Edith Whartons Zeit der Unschuld gesehen hat, wird ein plastisches Bild vom aufwendigen Lebensstil der oberen Four Hundred – so genannt nach der Zahl der Gäste, die der Ballsaal von Mrs. Astor fassen konnte – vor Augen haben.
Der Ausstellungsraum spiegelt mit Holztäfelung, Marmorkamin und Seidentapeten den Stil der Epoche wider. In diesem Interieur könnte eine Folge der britischen Fernsehserie Downton Abbey spielen, in welcher der fiktionale Lord Grantham den Familiensitz nur mit dem Geld seiner reichen amerikanischen Frau – Lady Cora – retten kann.
Tatsächlich heirateten zwischen 1870 und 1914 Hunderte von Dollarprinzessinnen in europäische Adelsfamilien ein (New York Times, 19.01.2012).
Kulturelle Vorbilder der neuen Stahl-, Öl- und Eisenbahnbarone und ihrer Bankiers waren Paris mit seiner Mode und Küche sowie London und die englische Countryside mit ihren aristokratischen Traditionen. Angesichts der Tatsache, dass die Vanderbilts, Belmonts und Morgans antraten, die herkömmlichen Strukturen zu zerschlagen und in ihren Geschäftsfeldern radikal Neues an die Stelle des Herkömmlichen zu setzen, wirkt die Aneignung solcher Vorbilder geradezu anachronistisch.
Die New Yorker Geldaristokraten wetteiferten darum, wer das luxuriöseste Stadthaus baute, den besten französischen Koch abwarb, die glanzvollsten Bälle ausrichtete und wessen Gattin die prachtvollsten Roben aus Paris bezog. Häuser, Kleider und Schmuck waren Anzeiger des sozialen Status.
Dem Schmuck kam eine besondere Bedeutung zu, ist doch mit Juwelen seit alters her die Vorstellung von königlichem Vorrecht, unerhörter Pracht und Machtausübung verbunden. Für Georg Simmel dient Schmuck der Pointierung und Bedeutungssteigerung seines Trägers und drückt ein Bedürfnis nach dem Gefallen-Wollen aus, wenn nicht gar den Wunsch, bei anderen Neid zu wecken.
Neben dem Pariser Juwelier Cartier etablierte sich Tiffany in New York als bevorzugter Schmuck-Lieferant. Im Jahr 1887 kaufte das Unternehmen ein Drittel der französischen Kronjuwelen auf und stattete die Damen der New Yorker Oberschicht damit aus. Der Ausstellungskatalog beschreibt, wie Tiffany auf diese Weise den Grundstein für die Entwicklung der Stadt zu einem globalen Zentrum für Luxusschmuck legte.
Thematisch kreist die Ausstellung um drei Kostümbälle aus den Jahren 1883, 1887 und 1905. Letzterer fand unter dem Motto Der Hof von Versailles statt. Auf Fotos sind Mitglieder führender New Yorker Familien zu sehen, die als Könige, Königinnen und Gefolge posieren – ohne erkennbaren Anflug von Selbstironie.
Sehr beliebt war das Nachstellen von Posen und die Rekonstruktion von Kostümen in Gemälden von Velázquez, Goya und Ingres, deren Werke in großer Zahl in den Privathäusern reicher New Yorker hingen. Eklektizistisch wurden Epochen und Stile gemischt.
Eines der Ballkostüme, die in der Ausstellung präsentiert werden, ist dem Gemälde „Die Infantin Margarita“ (ca. 1665) von Diego Velázquez nachempfunden. Katie Brice, Tochter aus einer reichen Familie, gab das Prachtkleid per Telegramm bei Worth in Paris in Auftrag. Bereits 24 Stunden nach Eingang der Order war es genäht und wurde sogleich nach New York verschifft.
Auch „Electric Light“, eines der extravagantesten Kleider von Worth, ist in der Ausstellung zu sehen. Mrs. Cornelius Vanderbilt, die Frau des Eisenbahn-Tycoons, trug es zu einem Ball, den sie 1883 anlässlich der Einweihung ihrer neuen Stadtvilla in der Fifth Avenue gab. Das Kleid aus schimmerndem Seidentaft ist über und über in gezackten Formen mit Brillanten und Pailletten bestickt, die Lichtblitze symbolisieren sollen. Erst drei Jahre zuvor hatte Thomas Edison sein Elektrizitätssystem zum Patent angemeldet.
Charles Frederick Worth war der Lieblingsschneider der New Yorker High Society. Er hatte sein Atelier 1858 in Paris eröffnet und stieg zum Hofschneider von Kaiserin Eugénie auf. Seine zahlungskräftigsten Kundinnen waren jedoch reiche New Yorkerinnen. Laut Ausstellungskatalog soll Worth gesagt haben: „Königinnen fragen nach dem Preis, Amerikanerinnen niemals“. Die lukrative amerikanische Verbindung war entscheidend für seinen Erfolg. Er beschäftigte bis zu 1200 Schneiderinnen, Stickerinnen und Plätterinnen. Sein geschultes Personal fertigte innerhalb kürzester Zeit Kleider in makelloser Qualität.
Worth hat durch vorgefertigte Entwürfe die Maßschneiderei revolutioniert und das Fundament für die Haute Couture gelegt. Durch leichte Abwandlungen eines Grundschnitts, Stoffwahl und dekorative Details waren eine Vielzahl individueller Variationen und trotzdem schnelle Lieferung möglich. Worth verkaufte Lizenzen seiner Entwürfe an die neuentstandenen Luxuskaufhäuser in New York. Auf diese Weise konnten sich auch solche Kundinnen ein Worth-Kleid leisten, für die die Original-Modelle unerschwinglich waren. Die Tatsache, dass eine ganze Reihe von Damen der New Yorker Upper Class in einem einzigen Jahr bis zu 150 Kleider beim Meister in Paris fertigen ließen, sagt viel über die Finanzkraft der Kundinnen, aber auch über die Leistungsfähigkeit des Modehauses.
Die Kleider der Ballbesucherinnen wurden mit Juwelen-Tiaras, Brillanten-Ohrgehängen und Ringen komplettiert, von denen einige ausgestellt sind. In einer Vitrine werden Fächer gezeigt, welche aus den Federn exotischer Vögel hergestellt wurden.
Auch die Herren waren nicht gerade zurückhaltend, wie Brillanten besetzte Krawattennadeln, goldene Taschenuhren und Gehstöcke aus Ebenholz mit silbernen Griffen belegen. Dass großer Reichtum nicht zwangsläufig mit gutem Geschmack einhergeht, fällt besonders bei einem Gehstock ins Auge. Er enthält ein Geheimfach mit einer kleinen Elfenbeinfigur, die eine nackte Frau darstellt.
Ein juwelenbesetztes Hundehalsband von Tiffany lässt ebenfalls am Stilempfinden der Gesellschaft zweifeln.
Die Ausstellung „Gilded Age“ wird von Tiffany gesponsort, vielleicht feiert sie deshalb so unkritisch den Luxus. Für den Geldadel der damaligen Zeit muss es großartig gewesen sein in New York, für die restlichen 99 Prozent der Bewohner der Stadt weniger. In der zweiten Etage des Museums zeigt die Ausstellung „Activist New York“ die erbärmlichen Lebensbedingungen der Immigranten und Arbeiter. Gegensätzlicher könnten diese beiden Lebenswelten nicht sein. Mark Twain würde sich angesichts der Ansammlung von Luxus in der Ausstellung mit seiner Kritik am Gilded Age bestätigt fühlen.
Der Ausstellungskatalog ist wenig kritisch, aber sehr ansprechend gestaltet – wie die Ausstellung.
Donald Albrecht und Jeannine Falino (Hg.): Gilded New York. Design, Fashion, and Society. Ausst. Kat. Museum of the City of New York / Monacelli Press, 2013. 240 S., 200 meist farb. Abb.
Titelbild: Hundehalsband mit Diamanten von Tiffany, 1904. Foto © Tiffany & Co. Archives / Museum of the City of New York