Im Juni 2014 fand in Berlin zum zehnten Mal die Textile Art statt, eine Messe für „Zeitgenössische Textilkünste“. Und langsam mausert sie sich von einer biederen Handarbeitsausstellung zu einer Veranstaltung, bei der auch Ungewöhnliches und Schräges einen Platz findet. Zwischen all dem Handgewebten, Gesponnenen, Geklöppelten, Gequilteten und Aufgefädelten zog dieses Mal der Stand von Sky Lange-Ford viel Aufmerksamkeit auf sich.
Ihr Label „Sky is no Limit ‒ Design + Couture“ bietet Accessoires rund ums Heiraten. Als erstes fällt die Designerin selbst ins Auge. Mit ihrer unkonventionellen Frisur erinnert sie an Sinéad O’Connor. Zu einem schlammfarbenen, ärmellosen Etuikleid, das ihre durchtrainierten Oberarme schön zur Geltung kommen lässt, trägt sie einen Seidenschal mit eingewebtem Totenkopfmuster, der wie das Logo der US-Rock-Band Grateful Dead anmutet.
Dazu trägt Sky Lange-Ford halbhohe Schnürstiefel in Grau-Braun, deren Design gleichzeitig von Vaudeville und Viktorianischer Züchtigkeit inspiriert zu sein scheint, und die an ihr richtig rockig aussehen. Sie sind aus London.
Seit dem Abschluss ihres Diplomstudiums als Modedesignerin an der Fachhochschule Trier ist Sky Lange-Ford viel in der Welt herumgekommen. Heute lebt sie in Köln, wo sich ihr Atelier und die Produktionsstätte befinden. Sie betont, dass sie ausschließlich in Deutschland fertigen lässt. Für die Hochzeit der Frau von heute entwirft sie Haargestecke und filigranen Schmuck, wobei ihr Verständnis von Brautschmuck weit ist. Auf der Berliner Textile Art zeigt sie drei Korsetts aus Latex, die vermutlich erst nach der standesamtlichen Trauung und dem Ende der öffentlichen Hochzeitsfeierlichkeiten zum Einsatz kommen dürften. Von weitem wirken die Dessous wie aufwendige Designer-Korsetts aus Lycra-Spitze, von der Art, wie sie auch Madonna bei ihrer „Like a Virgin“-Tour hätte tragen können.
Sky Lange-Ford experimentiert mit unterschiedlichen Materialien, und Latex erweist sich als vielseitig verwendbar und gut zu verarbeiten. Bei „Latex Dessous“ denkt man gleich an Beate Uhse, denn die guten Trageeigenschaften von Latex sind aus der Fetisch-Mode allgemein bekannt.
Im Kontext von Textile Art und Brautmode stellen sich Fetisch-Assoziationen zwar nicht zwangsläufig ein, doch die Modelle aus schwarzem Latex sind schon ziemlich aufregend. Das liegt auch daran, dass wir die Vorstellung von weißer Brautkleidung verinnerlicht haben. Weiß ist in unserem Kulturkreis die Farbe der Unschuld, deshalb schien sie für Brautgewänder prädestiniert. Dabei war es bis ins 20. Jahrhundert hinein keineswegs selbstverständlich, dass die Braut tatsächlich in Weiß vor den Traualtar trat. Die wenigsten Frauen konnten sich ein weißes Kleid leisten, das extra für die Hochzeit geschneidert wurde. Viele trugen zur Trauung ihr Sonntags- oder Festtagskleid, und das war in manchen Gegenden traditionell schwarz.
Für das schwarze Latex-Dessous hat sich Sky Lange-Ford von traditionellen japanischen Mustern inspirieren lassen. Und tatsächlich, wenn man das filigrane Gespinst länger betrachtet, nimmt man die Feinheiten deutlich wahr. Es wirkt gar nicht mehr wie ein Dessous, sondern wie ein kleines Kunstwerk mit fernöstlichem Touch. Es ist eine Augenweide, die selbst auf der bunten Textile Art hervorsticht und im Gedächtnis haften bleibt.
Titelfoto: Stand des Labels „Sky is no Limit ‒ Design + Couture“