Kaum hat man sich an den Anblick extrem enger Hosen gewöhnt, die jede Hautfalte nachzeichnen und nichts mehr der Fantasie überlassen, da sieht man gelegentlich Frauen in weiten, auf Taille geschnittenen Hosen, die bis zur Wadenmitte reichen oder kurz über dem Knöchel enden. Steht eine Trendwende bevor? 

Früher hießen diese weiten Beinkleider Hosenrock, heute werden sie Culotte genannt, das klingt weltläufiger als Hosenrock und ist auch die Bezeichnung, unter der dieses Kleidungsstück in der angelsächsischen Mode-Welt bekannt ist. Eigentlich ist der Name Culotte für die neuen weiten Hosen der Frauen paradox, denn so wurden im 18. Jahrhundert die enganliegenden Kniebundhosen der französischen Adligen bezeichnet.

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Abbildung eines preußischen Herzogs um 1730 in Culotte. Foto © Rose Wagner

Die Revolutionäre, die die Bastille stürmten und die Adelsherrschaft hinwegfegten, trugen dagegen die weiten langen Hosen der schwer arbeitenden Matrosen und Handwerker. Selbstbewusst nannten sich die Aufständischen Sans Culottes (eingedeutscht: Sansculotten oder Ohne-Kniebundhosen).

Es waren sportlich aktive Frauen der Oberschicht im Viktorianischen England, die sich erstmals im Hosenrock zeigten. Diese Culottes kamen beim Reiten und Fahrradfahren zum Einsatz. Anfänglich wurde noch ein hoher modischer Aufwand betrieben, um zu verbergen, dass die vermeintlichen Röcke in Wirklichkeit Hosen waren. Blenden und Rüschen sollten dem Kleidungsstück eine gefällige Note verleihen. Anfang des 20. Jahrhunderts kam es mit der Pfadfinderinnen-Bewegung, die ihn zu ihrer Uniform erkoren, zur weiteren Verbreitung des Hosenrocks. In die Couture wurde er Anfang der 1930er Jahre von der avantgardistischen Modeschöpferin Elsa Schiaparelli eingeführt. Doch zum modischen Mainstream brachten es die Culottes nicht. Allzu sehr widersprachen sie der gängigen Vorstellung von Weiblichkeit.

Auch in Deutschland hielten die Hosenröcke mit dem Sport Einzug, vor allem zum Fahrradfahren. Außerhalb sportlicher Betätigung zeigten sich jedoch nur besonders modemutige und unabhängige Frauen in einem Hosenrock. Bis weit in die 1960er Jahre galten Culottes als unweiblich, und die Trägerin wurde nicht selten hinter vorgehaltener Hand als „Mannweib“ oder Lesbierin verunglimpft. In der Variante als Haremshosen genossen Culottes eine kurze Blüte in der Hippie-Szene.

Culotte im Münchner Hauptbahnhof.  Foto © Rose Wagner

Culotte im Münchner Hauptbahnhof.
Foto © Rose Wagner

An diesen Look schließen heute einige internationale Modeketten an, wie zum Beispiel Primark. Seit einigen Jahren genießt der Hosenrock neue Wertschätzung. In den Kollektionen von Proenza Schouler, Armani, Alexander Wang und Jil Sander ist er präsent. Die Namen dieser Designer stehen für einen kühlen, minimalistischen Look. Dass es unter den deutschen Designern, die Culottes schneidern, gerade die Hamburgerin Bitten Stetter oder Jörg Ehrlich und Otto Drögsler von ODEEH sind, ist kein Zufall.
Mode Bitten Stetter.  Foto © Gulliver Theis

Mode Bitten Stetter.
Foto © Gulliver Theis

Bitten Stetters Programm richtet sich dezidiert gegen den herrschenden Trend, und ODEEHs Stil zeichnet sich durch ungewöhnliche und rigorose Silhouetten aus. Neuerdings haben global agierende Ketten wie H&M und Primark Hosenröcke im Angebot.
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H&M-Schaufensterdekoration.
Foto © Rose Wagner

Auch der größte deutsche Versandhändler Otto bietet mehrere Culotte-Modelle an.

Culotte von Otto. Foto © Otto.de

Culotte von Otto. Foto © Otto.de

Heißt das nun, dass Culottes nun trendy sind? Wohl kaum. Es spricht eher dafür, dass Textil-Unternehmen und Online-Händler auch solche Frauen anziehen wollen, die sich den gängigen Trends verweigern. Mit unkonventionellen Looks sollen neue Kundenschichten erschlossen werden. Der Hosenrock ist ein herbes und verhüllendes Kleidungsstück, das gängige Vorstellungen von Weiblichkeit nicht unterstützt.

Floristin in Berlin. Foto © Rose Wagner

Floristin in Berlin.
Foto © Rose Wagner

Für ihn spricht seine Bequemlichkeit, und Komfort ist heute ein gewichtiges Argument in der Mode, nichts soll klemmen und die Bewegung einschränken. Culottes schmeicheln allerdings nicht jeder Figur. Die meisten Hosenröcke betonen optisch Gesäß und Hüfte und lassen die Trägerin breiter aussehen, als sie tatsächlich ist.

Culotte in Berlin.  Foto © Rose Wagner

Culotte in Berlin.
Foto © Rose Wagner

Mit anderen Worten: Culottes tragen auf. Ratsam ist es deshalb, Schuhe mit Absatz zu tragen, denn sie strecken die Silhouette. Prints mit großen Mustern sollten gemieden werden, es sei denn, die Trägerin hat die Maße eines Models. Im Zweifelsfall sind dunkle Farben hellen vorzuziehen, und weich fließender Jersey trägt weniger auf als festes Leder. Auch klug gewählte Accessoires helfen, die Silhouette vorteilhaft auszubalancieren. Taschen und Gürtel sollten markant minimalistisch sein, verspielte Täschchen und Gürtelchen sind fehl am Platz. So begleitet, können Culottes ein echtes Fashion Statement sein. Dass sie jedoch den herrschenden Trend der extrem engen Hosen umkehren, ist wenig wahrscheinlich.

Titelbild: Hosen in Northeim, Juni 2014. Foto © Rose Wagner