Filmkritik

Vom ersten Tag seines Erscheinens an brach der Film Black Panther in den USA und vielen Ländern Afrikas alle Kassenrekorde. Die Hauptrollen werden von Schwarzen gespielt. Regie, Musik, Kostümbild und Make-Up liegen ebenfalls in den Händen von African-Americans.

In der US-amerikanischen Presse wird der Film als „Defining Moment for Black America“ gewertet, als kulturelle Zeitenwende, in der das Bild Afrikas neu und hell gezeichnet wird (New York Times Magazine, 12.03.2018). Den Filmkostümen komme eine Schlüsselrolle bei der Neubewertung der schwarzen Kultur zu (The Atlantic, 15.02.2018). Ruth E. Carter, die Kostümbildnerin, sagt: „We´re making Africa chic again“ (The Cut, 09.02.2018).

Was hat es mit den Kostümen in Black Panther auf sich?

Die Geschichte spielt in dem utopischen afrikanischen Königreich Wakanda, das nie kolonisiert wurde und dessen hierarchisch gegliederte Stammesgesellschaft ausschließlich schwarz ist. Dank des seltenen Metalls Vibranium ist das Land unermesslich reich und liegt technologisch an der Weltspitze.

Skyline in Wakanda. Im Vordergrund Geheimagentin Nakia (Lupita Nyong‘o). Foto © Marvel

Skyline in Wakanda. Im Vordergrund Geheimagentin Nakia (Lupita Nyong‘o). Foto © Marvel

Um keinen Neid zu erregen, verbirgt sich Wakanda hinter einem holographischen Schutzschirm und erweckt nach außen hin das Bild eines Entwicklungslandes. Prinz T´Challa, der spätere König, gerät unter Druck von Widersachern im Inland und Feinden im Ausland. In Maske und Kostüm eines schwarzen Panthers entwickelt er übernatürliche Kräfte und zwingt seine Gegner nieder. T´Challa beendet die Isolation Wakandas und bietet der afrikanischen Diaspora in aller Welt Solidarität und Hilfe an.

Black-Panther-Maske. Foto © Marvel

Black-Panther-Maske. Foto © Marvel

Der Film Black Panther ist eine Adaption des gleichnamigen Comics von Stan Lee und Jack Kirby aus dem Jahr 1966, die schwarzen Lesern einen eigenen Superhelden liefern wollten. Es war die hohe Zeit der Bürgerrechtsbewegung, und soeben war die revolutionäre Black Panther Party gegründet worden. Der Black-Panther-Comic mit seinem Afrika-Futurismus spiegelt die Stimmungslage dieser Epoche wider. Die Verfilmung durch die Disney-Tochter Marvel Studios verbindet die Genres Fantasy und Action, ohne Themen wie Kolonialismus, Isolationismus und globale Verantwortung auszublenden.

Der Gefahr eines stereotypen Afrikanismus entgeht der Film durch ironische Brechungen; beispielsweise gesellen sich galoppierende, gepanzerte Riesennashörner zu einer Volksgruppe in Baströcken.

Maskulinität in Baströcken und Tierfellen. Foto © Marvel

Maskulinität in Baströcken und Tierfellen. Foto © Marvel

Ruth E. Carter ist seit dreißig Jahren im Filmgeschäft. Für Black Panther erhielt sie ihre dritte Oscar-Nominierung nach Malcolm X (1992) und Amistad (1997). Selbst für Hollywood-Verhältnisse wurde für das Kostümbild von Black Panther ein ungewöhnlich hoher Aufwand betrieben. Kostümdesign für große Produktionen ist immer Teamarbeit, und Carters Team von weit über 100 Personen umfasste Designer, Zeichner, Modistinnen, Stickerinnen sowie Spezialisten für Schnitt, Färben, Schmuckdesign und Formenherstellung. Vervollständigt wurde ihr Stab durch Textilhistoriker, die in verschiedenen Regionen Afrikas Stammestraditionen studierten und Vorlagen für die Filmkostüme zusammentrugen, sowie Einkäuferinnen, die Flohmärkte in den USA nach Verwendbarem durchkämmten.

Carter ist sich bewusst, dass die afrikanische Modegeschichte starke kosmopolitische Züge aufweist und die weltweite afrikanische Diaspora modisch auf den Ursprungskontinent zurückwirkt.

Als zeitgenössische Inspirationsquellen nennt sie Yves Saint Laurents Kollektionen in nordafrikanischem Stil, Stella McCartneys Fortschrittlichkeit, Issey Miyakes kunstvolle Plissees und Gareth Pughs kühne geometrische Formen.

Winnie Mandelas majestätische Kopfbedeckungen regten zu den Hüten der Königinmutter Ramonda im Film an, die in 3-D-Druck gefertigt wurden.

Königinmutter Ramonda (Angela Bassett) mit Kopfschmuck à la Winnie Mandela nach Zulu-Art. Foto © Marvel

Königinmutter Ramonda (Angela Bassett) mit Kopfschmuck à la Winnie Mandela nach Zulu-Art. Foto © Marvel

Der Film wurde in IMAX (= größtes mögliches Format, scharfe Projektionen) sowie in 3D (= plastischer, augennaher Tiefeneindruck) gedreht. Daraus ergeben sich für das Kostümbild zwingende technisch-ästhetische Anforderungen: scharfe Konturen, prägnante Muster sowie Verzicht auf trübe Farben. Wegen der mikroskopischen Klarheit und Nahsicht mit der die Zuschauer alles wahrnehmen, darf kein Detail vernachlässigt werden, weder beim Make-up noch der Kleidung, weil das in IMAX und 3D sofort auffiele. Eine Ausnahme musste beim Schmuck gemacht werden. Vorgesehen waren die in manchen afrikanischen Regionen üblichen schweren Metallringe um Hals und Gliedmaßen, doch sie hätten Schauspielerinnen und Stunt-Frauen zu sehr beschwert und wurden deshalb aus Gummi nachgebildet und in Gold- und Silbertönen bemalt, um echt zu wirken.

Eindrucksvoll spiegelt eine Massenszene anlässlich ritueller Kämpfe das reiche textile Erbe Afrikas wider: leuchtende Farben, kühn gemusterte Baumwollstoffe, geometrische Muster in Kente-Gewebe (= spezielle Webtechnik), fulminanter Kopfschmuck, Umhänge mit markanten Streifen und üppige Tierfelle, dazu Verzierungen aus Federn, Holz, Ton, Bast, Tierzähnen und Muscheln.

Die Filmkostüme ermöglichen die Einordnung nach Regionen, Stämmen und Tätigkeiten. In Felle gehüllte Männer deuten auf Hirtenvölker der Bergregionen hin und Frauen mit elaboriert drapierten Kopftüchern auf Händlerinnen aus Zentralafrika. Die Farbe der Kleidung stellt ein wesentliches Unterscheidungskriterium dar, Grün steht für Fischer, Lila für Händler, Ocker und Orange für Bergbauregionen, Blau für Grenzregionen. Alle Kleidungsstücke, Haartrachten, die Körperbemalung und selbst Ziernarben haben in Black Panther eine bestimmte Bedeutung und sind symbolisch aufgeladen.

Zuri (Forest Whitaker), Schamane und Stammesältester, sein Kostüm verbindet nigerianische Traditionen mit japanischen Einflüssen. Foto © Marvel

Zuri (Forest Whitaker), Schamane und Stammesältester, sein Kostüm verbindet nigerianische Traditionen mit japanischen Einflüssen. Foto © Marvel

Carter belässt es nicht bei einer visuellen Wiederbelebung von afrikanischem Brauchtum, sondern verweist mit Abwandlungen und Zusätzen an den Kostümen immer wieder auf den Fantasy-Charakter der Filmhandlung. Beispielsweise sind die blauen Umhänge der Hirten mit Folie aus Vibranium belegt und lassen sich im Kampf als Schilde verwenden.

Im Hintergrund Hirten mit Vibranium-besetzten Umhängen. Vorne rechts Mitglieder der königlichen Leibgarde. Foto © Marvel

Im Hintergrund Hirten mit Vibranium-besetzten Umhängen. Vorne rechts Mitglieder der königlichen Leibgarde. Foto © Marvel

Die Hauptpersonen der Geschichte werden durch Besonderheiten und Details ihrer Kleidung als unverwechselbare Individuen herausgehoben. Der Entwurf für T´Challas Black-Panther-Kostüm stammt von Ryan Meinerding ‒ Head of Visual Development in den Marvel Studios ‒, der bereits die Kostüme für andere Superhelden schuf: Thor, Daredevil und Captain America. Ruth E. Carter setzte Meinerdings Entwurf um, wählte das Material – Eurojersey Spandex ‒ und verlieh dem Anzug mit aufgenähten Dreiecken eine plastische Tiefenstruktur in einem geometrischen Muster, wie man es von der Tracht afrikanischer Häuptlinge kennt. T´Challa ist sowohl in seinem Black-Panther-Anzug als auch in seiner Wakanda-Alltagskleidung eleganter und stilbewusster als andere Superhelden.

T´Challa (Chadwick Boseman) im Black-Panther-Kostüm. Foto © Marvel2018

T´Challa (Chadwick Boseman) im Black-Panther-Kostüm. Foto © Marvel 2018

In Wakanda sitzen die Frauen zwar nicht auf dem Königsthron, spielen aber als Stammesführerinnen, Elitesoldatinnen, Agentinnen und Ingenieurinnen eine wichtige Rolle.

Nakia, Gefährtin T´Challas und Geheimagentin, trägt Kleidung in Grüntönen. Damit wird angedeutet, dass sie sich wie ein Chamäleon an unterschiedliche Umgebungen anpassen kann, gleichzeitig wird auf ihre Herkunft aus einer Flussregion verwiesen. Bei einem Under-Cover-Einsatz in einem südkoreanischen Casino könnte sie in ihrem aparten Kleid jedem Bond-Girl die Schau stehlen.

Nakia und T´Challa im Casino. Foto © Marvel

Nakia und T´Challa im Casino. Foto © Marvel

Shuri, die junge Schwester T´Challas, leitet die Forschungs- und Entwicklungsstätte Wakandas. Sie erfindet flugtaugliche Schuhe und waffenfähige Handschuhe und stellt mit ihrem sportlichen Outfit ein Gegenmodell zur traditionell gekleideten Königinmutter Ramonda dar.

Shuri (Letitia Wright). Foto © Marvel

Shuri (Letitia Wright). Foto © Marvel

Phänomenal sind die Kostüme für die Leibgarde des Königs – Dora Milaje –, die ausschließlich aus Frauen besteht. Sie sind groß, athletisch, kahlköpfig und furchtlos und tragen die schönsten körpernahen Uniformen, die es je in einem Fantasy-Film zu sehen gab, und sie kommen ohne Entblößung aus. Carter ging es bei den Kostümen für die Dora Milaje um ein Gegenbild zum vorherrschenden Frauenbild in Comics und Fantasy-Filmen, wo Kämpferinnen entweder wie seelenlose Kampfmaschinen in Camouflage-Outfit agieren oder im Bikini ihren Körper als Waffe einsetzen und wie Stripperinnen aussehen. Trotz heller Rot- und Orangetöne, glänzendem Körperschmuck und kunstvoll bestickten Überhängen wirken die Dora Milaje furchterregend – und ironisch überhöht. Mit den Farben und Formen der Uniformen ruft Carter den traditionellen Kriegs-Aufputz der ostafrikanischen Massai ins Bewusstsein, lenkt jedoch deren Maskulinitäts-Optik in feminisierte Kampfbereitschaft um.

Dora Milaje, links außen Generalin Okoye (Danai Gurira), daneben Stellvertreterin Ayo (Florence Kasumba). Foto © Marvel

Dora Milaje, links außen Generalin Okoye (Danai Gurira), daneben Stellvertreterin Ayo (Florence Kasumba). Foto © Marvel

Carters Entscheidung,  althergebrachte afrikanische Tracht mit zeitgenössischem Modedesign und futuristischen Elementen zu verbinden, führt zu einer technisch anmutenden Modernität.

In Wakanda sind alle exzellent gekleidet, unabhängig vom Stamm,  der Tätigkeit und  Stellung in der sozialen Hierarchie. Textile Nachlässigkeit und Phantasielosigkeit existieren nicht. Selbst in dieser Hinsicht ist Wakanda utopisch.

Shuri (Letitia Wright) beim Kampf. Foto © Marvel

Shuri (Letitia Wright) beim Kampf. Foto © Marvel

Auch wenn man die hohen Erwartungen an das identitätsstiftende Potential des Films, die in der US-Presse geäußert werden, nicht teilt, so kann man doch Ruth E. Carter zustimmen: Afrikanische Kleidung ist chic, jedenfalls im Film. Und die Frauen schneiden besonders gut ab und stellen – vestimentär betrachtet – sogar noch den eleganten Superhelden Black Panther in den Schatten.

T´Challa (Chadwick Boseman) in Königsrobe. Foto © Marvel

T´Challa (Chadwick Boseman) in Königsrobe. Foto © Marvel

 

Filmtitel: Black Panther
Produktionsjahr: 2018
Regie: Ryan Coogler
Kostümdesign: Ruth E. Carter
Verleih: Walt Disney Germany

Titelfoto: Dora Milaje. Foto © Marvel