„Kippenberger Catwalk“
Kunsthalle HGN, Duderstadt > 20.10.2013 – 23.03.2014
Ausgerechnet Duderstadt! Dort, in Südniedersachsen, läuft eine Ausstellung, die in die Zeit von Berliner Avantgarde-Mode der siebziger Jahre zurückblendet. Der Punk hatte gerade seinen Durchbruch erlebt. Es wurde viel experimentiert. Claudia Skoda, die Designerin gestrickter Mode, lebte und wirkte in der Künstler-WG „Fabrikneu“ in der Zossener Straße in Kreuzberg. Sie hatte gerade ihr Label gegründet. Wer etwas Außergewöhnliches wollte, musste nach London oder Amsterdam fahren. Sie hingegen fing an zu stricken. Ihre avantgardistischen, körpernahen Kreationen fanden schnell Liebhaberinnen über die Berliner Szene hinaus, und ihre Kreuzberger Modenschauen glichen Happenings. In ihrer Kommune verkehrten Künstler wie David Bowie und Iggy Popp. Mode und Kunst harmonierten absichtslos miteinander. So scheint es jedenfalls im Video ihrer Schau „Pablo Picasso“, das in Dauerschleife in der Ausstellung „Kippenberger Catwalk“ läuft.
Die Models laufen auf der Boden-Collage „Eine Woche im Leben der Familie Skoda“, die Martin Kippenberger (1953-1997) im Atelier von Claudia Skoda im Jahr 1976 installierte. „Familie Skoda“ ist die Wohngemeinschaft, in der auch der Kunststudent Kippenberger zwei Jahre lebte.
Der Catwalk für Claudia Skoda bestand ursprünglich aus 1300 Fotos, die auf einer Fläche von 12 x 4 Metern zusammengefügt und mit Kunstharz versiegelt wurden. Sie erzählen von ihrer Arbeit und zeigen Modezeichnungen sowie Szenen aus dem Leben des Künstlerkollektivs.
Es war die erste größere Arbeit von Kippenberger. Die Installation wurde jahrelang genutzt, bis Skoda sie mit Bodenplatten abdeckte. Im Jahr 2002 baute der Galerist Rudolf Kricken die Collage aus. Sie wurde restauriert und im Rahmen der Kippenberger-Ausstellung „Sehr Gut. Very Good“ im Jahr 2013 im „Hamburger Bahnhof“ in Berlin gezeigt.
Der Prothetik-Unternehmer Hans Georg Näder (HGN) stellt in seinem privaten Museum in Duderstadt frühe Fotoarbeiten Martin Kippenbergers aus, darunter den Catwalk. Nach dem Ende dieser Ausstellung wird die Collage dauerhaft in neuen Ausstellungsräumen in der ehemaligen Bötzow-Brauerei in Berlin-Prenzlauer-Berg installiert, die H.G. Näder erworben hat und in ein großes Kunst- und Veranstaltungszentrum umwandeln will. Er hat einen beträchtlichen Teil von Kippenbergers Nachlass erworben, vor allem Fotoarbeiten.
In Duderstadt sind neben Kippenbergers Bodeninstallation auch Fotoserien mit Claudia Skoda ausgestellt. Eine zeigt sie mit ihrer Strickmaschine im U-Bahnhof Kottbusser Tor. Außerdem sind Aufnahmen zu sehen, die während der Schauen um 1976 in der Kreuzberger Fabrik-Etage entstanden. Auf ihnen lassen sich sowohl die Veränderungen wie auch die Konstanten im Strick-Design von Claudia Skoda nachvollziehen. Anfänglich sind noch viele Kreationen im Hippie-Look, der Punk hat sich in Skodas Kollektionen nicht gleich niedergeschlagen. Damals wie heute sind viele ihrer Modelle aus hauchdünnen Garnen gefertigt.
Die Ausstellungseröffnung in Duderstadt fiel zusammen mit dem 40jährigen Jubiläum von Skodas Label und wurde mit einer Modenschau gefeiert. Abermals liefen Models über Kippenbergers Catwalk, und Skoda präsentierte Entwürfe aus allen Jahrzehnten ihres Schaffens.
Im Foyer des Museums liegen ihre Schals zum Verkauf aus, und einige ihrer aktuellen Kreationen können auch erworben werden. Die beiden Kunststudentinnen Mareike Grest und Judith Eilers von der Universität Göttingen, die Besucher durch die Ausstellung führen, hüllen sich darin ein. Was für ein Gefühl, in Skoda-Modellen in Filzpantoffeln über Kippenbergers Catwalk zu rutschen!
Titelbild: Detailaufnahmen des Kippenberger Catwalk an der Wand der Kunsthalle HGN. Foto © Rose Wagner