In Florenz begann im Jahr 1951 die italienische Mode, wie wir sie heute kennen. Damals lud Giovanni Battista Giorgini die Einkäufer amerikanischer Luxuskaufhäuser ein, um ihnen in einer Renaissance-Villa Entwürfe italienischer Damenschneider vorzuführen, die im Ausland völlig unbekannt waren. Noch gab es keine Modeindustrie, sondern nur kleine Handwerksbetriebe. Reiche Italienerinnen fuhren nach Paris, weniger begüterte suchten lokale Maßateliers auf, die großes Geschick im Nachschneidern französischer Haute Couture an den Tag legten. Italien war kein Land der Mode mehr wie in der Renaissance, als sein kultureller Einfluss überall in Europa spürbar war.

Diese Rolle hatte seit dem 17. Jahrhundert Frankreich übernommen, mit Paris als Zentrum der Modewelt. Der zweite Weltkrieg veränderte vieles, und selbst Paris musste nach 1945 erst wieder Tritt fassen. Das war die Chance für Mode Made in Italy.

Die Florentiner Modeschauen von Giorgini hatten einen durchschlagenden Erfolg, vor allem seit sie im grandiosen Ballsaal des Palazzo Pitti stattfanden. Auf einmal standen Emilio Pucci, Emilio Schuberth und Valentino im Scheinwerferlicht der internationalen Presse, und amerikanische Luxuskaufhäuser orderten in großem Stil.

Abendroben von Emilio Schuberth aus den 1950er Jahren in der Galleria del Costume di Palazzo Pitti

Abendroben von Emilio Schuberth aus den 1950er Jahren in der Galleria del Costume di Palazzo Pitti

Hilfreich war auch, dass Hollywood-Schauspielerinnen wie Audrey Hepburn und die Präsidentengattin Jacqueline Kennedy Kleider italienischer Modeschöpfer trugen.

Die 1950er und 1960er Jahre waren die große Zeit von Florenz, dann übernahm Mailand die Führung. Doch Florenz blieb eine Stadt des Luxus und der Mode, auch wenn leger gekleidete Touristen heute das Straßenbild bestimmen. Alle großen Modehäuser und Luxusmarken sind in der Stadt vertreten, allen voran italienische wie Bulgari, Prada, Fendi, Dolce und Gabbana oder Armani.

Schmuck und Lederwaren – eine Florentiner Besonderheit

Seit der Renaissance ist die Herstellung von Lederwaren und Schmuck charakteristisch für Florenz, und der Ponte Vecchio, auf dem sich ein Juwelierladen an den anderen reiht, vermittelt noch immer eine Vorstellung davon, wie es vor 400 Jahren ausgesehen haben könnte, als Händler ihre Preziosen feilboten.

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Ponte Vecchio

Angela Caputi          Via Santo Spirito 58

Ganz in der Nähe der alten Brücke – im Palazzetto Medici – betreibt die Designerin Angela Caputi ihre 1975 gegründete Schmuck-Manufaktur.

Geschäftsräume von Angela Caputi

Geschäftsräume von Angela Caputi

Sie knüpft an alte Handwerkstraditionen an, doch bei Material und Design löst sie sich radikal vom Herkömmlichen. Ihre Entwürfe sind von Hollywood-Filmen der 1940er Jahre inspiriert.

Ladendekoration

Ladendekoration

Die überdimensionierten Halsketten, Armreifen und Ohrringe sind aus profanem Kunstharz und durchaus erschwinglich.

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Schublade mit Halsketten bei Angela Caputi

Caputi hat zahlreiche Designpreise gewonnen, und ihre Entwürfe wurden im Metropolitan Museum of Art in New York und in der Galleria del Costume di Palazzo Pitti in Florenz ausgestellt.

Aprosio           Via della Spada 38

Der handgefertigte Schmuck und die aufwendig bestickten Handtaschen von Ornella Aprosio sind verschwenderisch mit winzig kleinen Perlen aus Murano-Glas und böhmischem Kristall besetzt. An der Tasche mit dem Blumenmuster arbeitete eine erfahrene 80-jährige Stickerin zwei Monate lang.

Aprosio-Tasche

Aprosio-Tasche

Für die schwarz-rote Tasche – mit einem traditionellen sizilianischen Muster – benötigte eine Stickerin drei Monate.

Traditionelles Muster aus Sizilien

Traditionelles Muster aus Sizilien

Auf die Herstellung von Broschen und witzigen Ansteckern sind männliche Handwerker spezialisiert.

Tier-Anhänger

Tier-Anhänger aus Murano-Glas

Besonders aufwendige Accessoires werden nur auf Bestellung gefertigt. Die meisten Kunden kommen aus Japan.

Gucci-Museum           Piazza della Signorina 10

Der Florentiner Sattlermeister Guccio Gucci (1881-1953) machte sich durch Taschen mit Bambusgriff international einen Namen. Heute gehört das Unternehmen zum Luxuskonzern PPR / Kering und ist mit mehreren Geschäften in der Stadt präsent sowie mit einem Museum, das 2011 zum 90-jährigen Firmenjubiläum eröffnet wurde.

Gucci-Museum, auf dem Fries rechts oben Wappen Florentiner Gilden, darunter Seiden- und Tuchweber

Gucci-Museum, auf dem Fries rechts oben Wappen Florentiner Gilden, darunter Seiden- und Tuchweber

Es liegt nur 100 Schritte von der Stelle entfernt, wo im Jahr 1497 Bürger auf Geheiß des Mönches Girolamo Savanorola kostbare Kleider, Möbel und Gemälde auf einem riesigen Scheiterhaufen in einem Fegefeuer der Eitelkeiten verbrannten. Doch schon 1498 fiel Savanorola in Ungnade, und heute gehören Luxusmarken zu Florenz wie der David von Michelangelo.

In den letzten Jahrzehnten hat Gucci die Produktpalette erheblich erweitert, und im Museum sind neben den klassischen Lederwaren auch Kleider und Lifestyle-Produkte – Satteltaschen für Fahrräder, Behältnisse für Brettspiele oder Golfschläger – zu sehen. In einem halbdunklen Raum sind kostbare Abendroben auf Figurinen drapiert, die auf Podesten frei im Raum stehen. Jeder Lufthauch versetzt die feinen Gewebe in leichte Schwingungen. Die Kleider wurden Schauspielerinnen wie Jessica Chastain und Salma Hayek – Ehefrau des Vorstandsvorsitzenden von PPR – für den Gang auf dem Roten Teppich auf den Leib geschneidert. Die ausgestellte rauchgraue Organza-Robe mit Swarovski-Kristallen und dichtem Besatz flaumiger Federn, in der Salma Hayek 2011 beim Filmfestival in Venedig erschien, muss den Vergleich mit luxuriösen Gewändern der Medici-Ära nicht scheuen. Mit wechselnden Kunstausstellungen bekräftigt das Gucci-Museum den Trend, Mode, Kommerz und Kunst miteinander zu verschmelzen. Die aktuelle Ausstellung zum Thema Blumen zeigt Gemälde, Installationen und Photographien. Florale Muster werden bei Gucci seit den 1960er Jahren auf Seidentücher gedruckt.

Ferragamo-Museum           Piazza di Santa Trinita 5

Ferragamo ist eine der bekanntesten Schuhmarken der Welt. Nach Jahren in Hollywood, wo er Maßschuhe für Filmgrößen angefertigt hatte, ließ sich Salvatore Ferragamo (1898-1960) im Jahr 1927 in Florenz nieder, wenig später erwarb er den Palazzo Ferroni-Spini, in dem 1995 das Museo Salvatore Ferragamo eröffnet wurde. Die Marke Ferragamo ist auch mit Prèt-à-porter-Kollektionen und Parfums erfolgreich.

Salvator Ferragamo

Schaufenster am Palazzo Ferroni-Spini

Im Museum werden die Verdienste des Begründers gewürdigt. Wie Gucci, der aus der Not eine Tugend machte und in Zeiten des Mangels Bambus statt Leder für seine Taschenbügel verwendete, verarbeitete Ferragamo Kork statt Leder und schuf mit leichten Keilabsätzen Klassiker der Schuhmode.

Modell "Rainbow, 1938-1939, für Judy Garland

Modell “Rainbow”, 1938-1939, für Judy Garland

Dutzende seiner ikonischen Schuhe sind ausgestellt, darunter solche, die er für Marilyn Monroe entwarf.

Modell für Marilyn Monroe, 1957,  für den Film "Manche mögen´s heiß"

Modell für Marilyn Monroe, 1957,
für den Film “Manche mögen´s heiß”

Die meisten Schuhe in der Ausstellung sind klein, Größe 35 bis 37, so wie man sich italienische Schuhe vorstellt. Die Verkaufsräume des Palazzo Ferroni-Spini werden vorwiegend von jungen asiatischen Kundinnen frequentiert. Die kleinen Schuhgrößen dürften ihnen zupass kommen.

Galleria del Costume di Palazzo Pitti

In Florenz befindet sich neben den privaten Museen von Gucci und Ferragamo auch das einzige staatliche Modemuseum Italiens. Es belegt einen Trakt des grandios-strengen und weitläufigen Palazzo Pitti, der seit dem 16. Jahrhundert den Herzögen von Toskana als Residenz diente. Die Dauerausstellung des Pitti-Modemuseums zeigt in prachtvollem Ambiente Damenkleidung aus der Zeit von 1900 bis 1980 mit einem Bezug zu Italien. Dass Rosa Genoni (1867-1954) den Auftakt der Ausstellung macht, ist vielsagend. Genoni war Schneiderin und politische Aktivistin und kämpfte für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Näherinnen. Nicht weniger wichtig war ihr die Entwicklung einer eigenständigen italienischen Mode, um die kulturelle Abhängigkeit von Paris zu beenden. Sie holte sich Anregungen bei der Kunst der Renaissance. Für eine Abendrobe, die florale Motive von Botticellis Gemälde La Primavera – es hängt in den Uffizien – aufnimmt, wurde Genoni bei der Weltausstellung 1906 in Mailand mit einer Auszeichnung geehrt.

Robe von Rosa Genoni nach dem Vorbild von Botticellis „La Primavera“

Robe von Rosa Genoni nach dem Vorbild von Botticellis „La Primavera“

Das Ziel einer Mode Made in Italy ging zu ihren Lebzeiten nicht in Erfüllung.

Kleidung und Accessoires Made in Italy

Seit Genonis und Giorginis Initiativen für eine Mode Made in Italy hat sich viel getan, aber es deuten sich auch ungute Entwicklungen an. Die Dichte der Luxusgeschäfte in Florenz ist hoch, doch weitem überwiegen Marktstände und Ladengeschäfte, die preiswerte oder sogar spottbillige Kleidung und Accessoires mit dem Siegel Made in Italy anbieten.

Marktstand mit Billigware

Marktstand mit Billigware

Vieles wird in Prato produziert, einer Kleinstadt vor den Toren von Florenz mit Jahrhunderte alter Tradition der Leder- und Textilherstellung. Die Fabrikationsstätten in Prato sind heute weitgehend in chinesischer Hand. Die Arbeitsbedingungen sind zum Teil schlechter als zu Genonis Zeiten. Immer wieder berichtet die lokale Presse von Arbeitsunfällen und Bränden in den Arbeitsstätten; doch selten ist zu lesen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden.

Allgegenwärtig sind in Florenz – wie in jeder italienischen Touristenhochburg – illegale Straßenhändler, die gefälschte Waren auf Decken ausbreiten und schnell wieder zusammenraffen, sobald sich ein Polizist nähert. „Das sind Lampedusa-Flüchtlinge“, heißt es über die meist farbigen jungen Männer, die aus dunklen Quellen nachgemachte Luxustaschen beziehen, für die sich problemlos Käufer finden.

Illegaler Straßenhandel

Illegaler Straßenhandel

Im April 2015 fand im Palazzo Vecchio die Condé Nast International Luxury Conference statt, die wichtigste Luxusmesse der Welt. Die neuen Märkte liegen in Asien. Noch reisen kauflustige Asiatinnen in Scharen nach Europa und in Städte wie Florenz, um sich mit Luxus-Accessoires und Kleidung einzudecken. Das könnte sich bald ändern. In Europa wird der Billig-Sektor weiterwachsen, wenn es nicht zu einem Umdenken kommt. Die Ware ist nur deshalb so preiswert, weil sie unter katastrophalen Bedingungen produziert wird. Kleidung, die aufwendig mit hohem Anteil von Handarbeit unter akzeptablen Bedingungen gefertigt wird, ist dann nur noch im Museum zu bestaunen. Florenz bliebe immer noch seine atemberaubende Renaissance-Szenerie und die Kunst.

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Links der Turm des Palazzo Vecchio, in der Mitte der Dom, rechts Santa Croce

 

Alle Fotos © Rose Wagner