An einem heißen Sommertag flatterten zwei Stränge aneinander gehakter Büstenhalter wie Girlanden über eine enge Straße in der südfranzösischen Ortschaft Banyuls-sur-Mer. Eine Zugereiste wollte sich einen Spaß machen. Street Art. Die Polizei kam und nahm die Wäsche ab. Die Absicht, die Objekte zwecks Beweissicherung auf die Wache zu verbringen, ließ sie fallen, als die Besitzerin der BHs drohte, barbusig vor der Wache zu erscheinen. Das hätte Delacroix gefallen.

Wenige Tage später war die Wäsche wieder da, und dieses Mal war gleich ein halbes Dutzend Leinen mit Büstenhaltern in allen Farben, Formen und Größen über die Straße gespannt, und alle kamen zum Schauen. „Mensch, hat der heute Nacht viele Frauen ausgezogen“, meinte einer. Doch dann sagte jemand: „Die richten sich bestimmt gegen den neuen Yacht-Hafen“. Auf einmal waren die Büstenhalter eine politische Waffe gegen ein umstrittenes Bauprojekt.

 Büstenhalter in der Rue Napoléon. Foto © Barbara Frenz


Büstenhalter in der Rue Napoléon. Foto © Barbara Frenz

Nun schritt der Bürgermeister höchstpersönlich ein und dirigierte die Ortspolizei bei der Abnahme der 500 Objekte. Doch die Kunde hatte sich schon verbreitet. Überall wurde über den „Kampf der Frauen gegen den Hafen“ berichtet. Eine deutsche Boulevard-Zeitung kommentierte: „Wonderbra, pardon, wunderbar“. Das las eine Frau in Cuxhaven. Dort war ein Teil des Hafens abgesperrt. Das fand sie nicht gut und rief auf zum Protest mit den „Waffen der Frau“. Viele kamen und hängten ihre Büstenhalter an den Absperrzaun.

BH-Protestaktion in Cuxhaven am 26.08.2012. Foto © Wolfgang Rutz

BH-Protestaktion in Cuxhaven am 26.08.2012.
Foto © Wolfgang Rutz

Die Feministinnen, die einst den BH als Symbol der patriarchalischen Unterdrückung verbrannten, werden sich wundern, was heute alles damit angestellt wird. Seine erotische Kodierung hat er nicht verloren.