Buchbesprechung:
Krieg und Kleider: Mode und Grafik zur Zeit des Ersten Weltkriegs 1914-1918.
Für die Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin, hrsg. von Adelheid Rasche. Leipzig: Seemann, 2014

 

Der Erste Weltkrieg bedeutete auch in modischer Hinsicht eine Zäsur. Der massenhafte Eintritt von Frauen in die Arbeitswelt blieb nicht ohne Einfluss auf Lebensstil und Kleidung. Die Frauenkleidung wurde radikal modern, und es zeigte sich, dass Mode – bei anhaltender stilistischer Vorherrschaft von Paris – auch in Kriegszeiten länderübergreifend war. Nationalistische Parolen wie „Los von Paris“ und die Propagierung einer „deutschen Mode“ blieben ohne Widerhall.

Das schloss allerdings lokale modische Variationen und Vorlieben nicht aus; in Deutschland gab es beispielsweise eine deutliche Vorliebe für Blusen. National blieb während des Ersten Weltkriegs lediglich die Modeindustrie.

Die Thesen von der Internationalität, Modernität und Dynamik der Frauenmode im Ersten Weltkrieg vertreten Adelheid Rasche – die Herausgeberin – und die Autorinnen Birgit Haase und Raffaella Sgubin in dem Buch „Krieg und Kleider“. Es erschien begleitend zur gleichnamigen Ausstellung in der Berliner Kunstbibliothek und nimmt die Mode in der Zeit von 1914 bis 1918 in Paris, Berlin und Wien sowie ihre Repräsentation in zeittypischen Medien in den Blick.

Silhouette und Rocklänge veränderten sich markant. Das kam allerdings nicht unverhofft. Bereits 1907 hatte der Pariser Couturier Paul Poiret Kleider gezeigt, deren schmale Linien das kurvig Körperbetonte des Jugendstils hinter sich ließen.

Mode um 1912, links auf der Figurine ein Modell von Paul Poiret. Musée des Arts décoratifs, 2015.

Mode um 1912, links auf der Figurine ein Modell von Paul Poiret. Musée des Arts décoratifs, 2015.

Bei Kriegsbeginn hatten sich gerade geschnittene Kleider und Kostüme weitgehend durchgesetzt. In den mittleren Kriegsjahren wurden die Röcke zwar vorübergehend wieder weiter – die Rede war von der „Kriegskrinoline“ –, am Ende behaupteten sich aber praktische Kittel- und Hemdblusenkleider. Dass um das Jahr 1916 herum die Röcke einen Anflug von Biedermeier zeigten, kann mit einer nostalgischen Referenz an bessere Zeiten und dem Wunsch nach erkennbarer Geschlechterdifferenzierung erklärt werden. Die Rocklänge blieb jedoch kurz und passte zur Dynamik des Lebens. Die zeitweilige Ambiguität der Mode deutet Birgit Haase als einen typischen Ausdruck von Modernität: die Gleichzeitigkeit von Gegensätzlichem.

Die Röcke waren sukzessiv kürzer geworden – auch in dieser Hinsicht war Poiret ein Vorreiter. Bei Kriegsausbruch legten die Röcke bereits die Knöchel frei, dann wanderte der Rocksaum immer höher, bis er schließlich bei Kriegsende die Wadenmitte erreichte. Die kürzeren Röcke erlaubten den Frauen größere Bewegungsfreiheit und reduzierten gleichzeitig den Stoffverbrauch.

Im Laufe des Krieges übernahm die Frauenmode immer mehr Gestaltungselemente und Schnitte aus der Militärkleidung der Männer – kleine Stehkragen, aufgesetzte Taschen, Tressenbesatz oder Capes – und passte sich auch farblich den Uniformen an. Im deutschen Reich war Feldgrau populär, in Frankreich und Österreich-Ungarn entsprechend andere Uniform-Farben. Insgesamt waren die Farben abgetönt und zurückhaltend. Schwarz – bei der Trauerkleidung allgegenwärtig – wandelte sich zur Modefarbe und blieb es bis heute. Hüte wurden kleiner und auf üppige Verzierungen wurde verzichtet.

Die Hauptkriterien für die Frauenkleidung lauteten: Zweckmäßigkeit, Praktikabilität und Schlichtheit. Kleider sollten waschbar sein. Da Wollstoffe für das Militär reserviert waren, griffen Frauen zu Baumwolle und den neu entwickelten Trikot- und Jersey-Stoffen. Erstaunlicherweise waren in der Kriegszeit auch Seidenstoffe erhältlich, denn sie waren für das Militär nicht geeignet und unterlagen deshalb nicht der Rationierung von Textilien. Das Selbernähen breitete sich in allen Gesellschaftsschichten aus, hauptsächlich diktiert von Mangel und Not.

Nach Kriegsende wurden die erwerbstätigen Frauen zugunsten der von der Front zurückkehrenden Männer wieder aus dem Arbeitsleben ausgegliedert und zurück an den Herd geschickt. Die Veränderungen in der Frauenmode waren allerdings nicht mehr rückgängig zu machen. Die Röcke blieben kurz und die Silhouetten gerade. In den Zwanziger Jahren verschwanden sogar vorübergehend die Taillen, und die kurzen Haarschnitte – Bubikopf – schienen den Zeitgenossen wie der Inbegriff der Emanzipation.

Das Buch enthält aufschlussreiche Faksimiles von Anzeigen und Gestaltungshinweisen in Modezeitschriften. Auch in der Kriegszeit und trotz erschwerter Lebensbedingungen hatten Frauen das Bedürfnis, sich adrett zu kleiden. Mode sollte zudem der Zerstreuung dienen und nicht zuletzt den Fronturlaubern einen erfreulichen Anblick bieten, das wird auf Titelbildern und Abbildungen in Modezeitungen deutlich und im zeitgenössischen Modejournalismus auch thematisiert.

Zeichnung von Otto Lendecke,  Simplizissimus, 1917. Kunstbibliothek Berlin.

Zeichnung von Otto Lendecke, Simplizissimus, 1917. Kunstbibliothek Berlin.

Hinreißend anzusehen sind Zeichnungen, Linolschnitte und Lithografien von KünstlerInnen wie Georges Lepape, Annie Offterdinger, Théodore Fried und Hilda Jesser in künstlerisch anspruchsvollen Grafikmappen, die in kleiner Auflage erschienen. Die von den Künstlern gezeichnete Kleidung in hellen Farben, mit hübschen Frauen, die sorgfältig zurechtgemacht in idealisierter Szenerie leichthändig alle kriegsbedingten Beschwernisse abschütteln, gleichen Wunschbildern. Adelheid Rasche spricht in diesem Zusammenhang von „medialen Konstruktionen“. Diese heile und glamouröse Welt hatte mit dem beschwerlichen Arbeitsalltag der meisten Frauen nichts zu tun und entführte sie – durchaus gewollt und gewünscht – in eine Gegenwelt. Die künstlerischen Modedarstellungen aus den Kriegsjahren belegen eine erstaunliche modische Dynamik und Internationalität. Und angesichts der originellen und anspruchsvollen Modegrafik der Kriegsjahre kommt einem vieles in der heutigen Modefotografie geradezu langweilig vor.

Die Textbeiträge sind informativ, und mit den vielen Abbildungen ist das Buch eine reine Augenfreude.

Buchcover

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