Als die Caprihose 1948 in Deutschland auftauchte, löste sie einen Skandal aus. Waren Frauen denn schon wieder ansprechbar für modische Experimente? Bereit für gewagte Hosen, die an Flirt denken ließen, an Sorglosigkeit und Ferien? Wo sie doch bis vor kurzem noch Mäntel aus Wehrmachtsuniformen geschneidert hatten und Sommerkleider aus Nazi-Flaggen, von denen die Hakenkreuze entfernt worden waren. Und plötzlich tauchte eine Hose auf, die mit allem brach und ein völlig neues Frauenbild vermittelte.

Die Modeschöpferin Sonja DeLennart (geb. 1920) stellte die neue Hose kurz nach Kriegsende in München vor. Die Idee dazu sei ihr in den Ferien auf Capri gekommen, als sie kurz entschlossen ihre lange Hose abgeschnitten habe, um am Strand durchs Wasser zu laufen, erzählte sie im Interview. Daraus entwickelte sie eine dreiviertellange Hose, enganliegend und am Saum geschlitzt. Doch selbst wagemutige Frauen trugen die neue Hose zunächst nur in den Ferien. Als dann aber Prominente sich in aller Öffentlichkeit damit zeigten, war der Durchbruch da. Die fünfziger und sechziger Jahre gehörten der Caprihose. Junge Mädchen tanzten darin Rockabilly. Junge Frauen, die sich wie die Pariser Existenzialisten geben wollten, bevorzugten sie in Schwarz und trugen einen Rollkragenpulli dazu. Man sah Caprihosen auf der Straße, in Clubs und in Ferienorten, jedoch nicht im Berufsalltag. Dort waren Hosen für Frauen bis weit in die sechziger Jahre tabu. Eher wurde der Minirock geduldet als eine Hose.

Filme wie „Ein Herz und eine Krone“ (1953) und „Sabrina“ (1954) spielten bei der Popularisierung eine wichtige Rolle. Audrey Hepburn ging mit einer schwarzen Caprihose und Ballerinas ins kollektive Gedächtnis ein. Brigitte Bardot bevorzugte rosa-weiß gepunktete Modelle, Marilyn Monroe liebte ebenfalls helle Farben für ihre sexy Hosen, die sie mit bauchfrei geknoteter Hemdbluse trug. Als Jacqueline Kennedy sich in einer Caprihose mit Bügelfalte zeigte, verlor dieses Kleidungsstück weitgehend seine erotische Konnotation und wurde massentauglich.

Lange Zeit strich der italienische Designer Emilio Pucci (1914 – 1992) den Ruhm als Erfinder der Caprihose ein. Das internationale Jetset deckte sich jahrelang in seiner Boutique auf Capri ein. Doch heute wird Sonja DeLennarts Urheberschaft als historische Tatsache anerkannt.

Die Caprihose trägt viele Namen (siehe dazu auch Reclams Mode- und Kostümlexikon, 2011). Seit einigen Jahren erlebt sie ein Revival als 7/8-Hose, Cropped Pants oder Ankle Pants. In der Länge variiert sie von der Wadenmitte bis wenige Zentimeter oberhalb des Knöchels.

Krakau, 2013. Foto © Rose Wagner

Krakau, 2013. Foto © Rose Wagner

Sie kann extrem eng geschnitten sein, so dass sie kaum von Leggings zu unterscheiden ist, oder sportlich locker sitzen. Der Saum wird geschlitzt, geknöpft, mit Reißverschluss versehen, trompetenförmig erweitert oder mit Spitzenborte verziert. Aus dem Alltag ist sie nicht mehr wegzudenken. Anders als in ihrer Frühzeit wird die Caprihose heute von Frauen jeden Alters getragen, und es gibt sie in allen Größen und Preislagen. Jedes Konfektionsgeschäft führt sie im Sortiment.

Manche Straßen-Ausführungen wirken spießig und wenig graziös, sie sind bequem wie alte Hausschuhe und so praktisch wie Kittelschürzen. Die Leichtigkeit und Keckheit der ersten Modelle strömen sie nicht mehr aus.

Berlin, 2011. Foto © Rose Wagner

Berlin, 2011. Foto © Rose Wagner

Designer-Caprihosen sind naturgemäß raffinierter. Cropped Pants sah man bei Alexander McQueen, Armani, Prada und Akris und bei den Berliner Modewochen.

Lena Hoschek, die keine Kollektion ohne Anleihen bei der Mode der fünfziger und sechziger Jahre auf den Laufsteg bringt, präsentierte im Januar 2014 ihre Retro-Version in schwarzgrundigem Blumenprint mit hohem Bund, der die Taille betonte. In der Zusammenstellung mit einem transparenten roten Oberteil erschien diese Caprihose sexuell aufgeladen und vermittelte ohne ironische Brechung das Bild der verfügbaren Frau, die ihre körperlichen Reize an den Mann bringen will.

Lena Hoschek. Foto © S.O. Beckmann

Lena Hoschek. Foto © S.O. Beckmann

Eine unterkühlte Variante stellte Lala Berlin für den Sommer 2014 vor. Bei dem Ensemble aus Hose und kastenförmiger kurzärmeliger Jacke aus pastellfarbenem Digitaldruck mit Phantasiemuster unterblieb jegliche erotische Anspielung. Dieses Modell könnte auch in einer amerikanischen Fernsehserie auftreten, die in einem kalifornischen Krankenhaus spielt, oder als Mannschaftsuniform in einer Neufassung von „Star Trek – The Next Generation“. Die aufgesetzten Taschen des Jäckchens verweisen auf Anleihen aus dem Militärischen.

Lala Berlin. Foto © S.O. Beckmann

Lala Berlin. Foto © S.O. Beckmann

Wiederum anders die Cropped Pants in Dorothee Schumachers Herbst-, Winterkollektion 2013 / 2014. Zeitgemäß elegante Modelle aus einfarbigem, glänzendem Material mit hohem Stretch-Anteil wurden zu raffinierten Tuniken oder weich fallenden Oberteilen getragen.

Dorothee Schumacher. Foto © S.O. Beckmann

Dorothee Schumacher. Foto © S.O. Beckmann

Eine solche Zusammenstellung verlängert die weibliche Silhouette und eignet sich auch für Frauen, die nicht die Maße eines Mannequins haben. Schuhmachers Neuinterpretationen wirken lässig modern und feminin, ohne in Rückwärtsgewandtheit zu verfallen. So schön hat man Caprihosen lange nicht gesehen.

Anders als in den fünfziger und sechziger Jahren werden die neuen Edel-Ausführungen nicht mit Ballerinas getragen, sondern mit spitz zulaufenden High Heels, die optisch die Beine verlängern. Die Alltags-Bequem-Varianten werden dagegen mit Schuhen jeder Art kombiniert.

Kulturgeschichtliche Aspekte der Caprihose sind Thema einer Ausstellung, die bis September 2014 im Levi Strauss Museum im fränkischen Buttenheim läuft: „Kurz, kess und Kult – Sonja DeLennart und die Caprihose“.

Foto © Levi Strauss Museum

Foto © Tanja Roppelt, Levi Strauss Museum

Titelbild: Straßenszene in Krakau, 2013. Foto © Rose Wagner