Eine Olympiade ist ein globaler Laufsteg. Einheitlich gekleidet wie die Pinguine ziehen die nationalen Mannschaften ins Stadion ein. Sportfunktionäre halten die textile Uniformierung der Teilnehmer für wichtig. Obgleich die einzelnen Sportler nicht selten sogar innerhalb ihrer eigenen Mannschaft Konkurrenten sind, sollen sie sich als Teil eines größeren Ganzen fühlen. Ihre Team-Kleidung soll nach innen Identität stiften und das Zusammengehörigkeitsgefühl verstärken, nach außen soll sie die jeweilige Nation repräsentieren.

Bogner

Olympia-Kollektion, Sotschi 2014.
Foto © Bogner

Auch die Zuschauer erwarten, dass die nationalen Teams an ihrer Kleidung erkennbar sind, die Deutschen als Deutsche, die Japaner als Japaner, die Amerikaner als Amerikaner und so fort. Doch Landestrachten gibt es längst nicht mehr, und die Nationalität der Mannschaften ist nur an der Nationalflagge abzulesen, die bei der Eröffnungszeremonie voran getragen wird.

Die deutsche Olympia-Mannschaft wird seit 1936 von der Firma Bogner für die Winterspiele eingekleidet. Für Sotschi stellte das Unternehmen die Kleidung für die Eröffnungs- und Schlussfeier sowie für offizielle Anlässe. Die textile Ausstattung ist für Willy Bogner Teil des Wettkampfs der Nationen. Die deutsche Olympia-Bekleidung löste allerdings nicht nur Begeisterung, sondern auch Häme und Spott aus.

Die deutsche Mannschaftskleidung verzichtete darauf, die Farben der Nationalflagge zu verwenden, stattdessen changierten die Jacken von Türkisblau über Froschgrün bis Zitronengelb. Für die Damen gab es dazu rote Hosen mit Rosenmuster, das an die Blumentücher russischer Trachten erinnern sollte. Modekritiker fanden den Aufzug peinlich und vermissten ein klares ästhetisches Konzept.

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Olympia-Kollektion, Sotschi 2014.
Foto © Bogner

Es kam sogar zu politischen Fehlinterpretationen und Peinlichkeiten. Manche Zeitung vermutete, dass hinter den Regenbogenfarben der deutschen Mannschaftsjacken eine politische Botschaft steckte, ein textiler Protest gegen die russische Anti-Homosexuellen-Gesetzgebung. Doch dergleichen war nicht beabsichtigt. Willy Bogner erklärte in einem Interview, die Mannschaftsuniformen seien in einem „Feier-Design“ gehalten, das von der „tollen Atmosphäre“ der Sommer-Olympiade 1972 in München inspiriert sei. In die Annalen des Sports gingen diese Olympischen Spiele allerdings als Spiele des Terrors ein. Damals wurden elf israelische Athleten und Trainer von palästinensischen Terroristen ermordet.

Die olympischen Spiele von Sotschi 2014 spiegeln einen globalen modischen Trend wider. Weil es kaum noch Landestrachten gibt, gleichen sich die nationalen Outfits immer mehr an. Das führt zu kuriosen Ergebnissen. Die „New York Times“ bemerkte süffisant, dass sich die Japaner kleiden wie Franzosen, die aussehen möchten wie Engländer und dass die Italiener in ihren marineblauen Armani-Anzügen aussehen wie Japaner, die sich um einen französischen Look bemühen.

Sportmode dient immer auch der Unterhaltung, und wenn sich alles gleicht, wird es langweilig. Das zumindest war die deutsche Mannschaftskleidung nicht.

Alle Fotos, einschließlich Titelbild © Bogner