Buchbesprechung

Fiona Bennett ist Berlins, wenn nicht gar Deutschlands bekannteste Hutmacherin – jedenfalls in ihrer eigenen Wahrnehmung. Wie es dazu kam und welch zentrale Rolle Berlin dabei spielt, erzählt sie in ihrem Buch in radikaler Subjektivität. Der Untertitel „Ein Leben als Modistin – Muse – Stilikone“ bringt ihre Selbsteinschätzung treffend auf den Punkt.

Fiona Bennett wuchs zunächst bei der englischen Großmutter in Brighton auf, kam 1972 im Alter von sechs Jahren nach Westberlin, machte eine Lehre als Hutmacherin in Kreuzberg und führte in den 1980er Jahren im alten Westen ein fröhliches Bohèmeleben mit Irrungen und Wirrungen. Im Jahr 1999 eröffnete sie in Ostberlin, in „Mitte“ – damals das europäische Epizentrum von Coolness –, einen Hutladen, wurde gefeiert und gewann internationale Prominenz als Kunden. Sie erlebte dann, wie sich im Eldorado selbstständiger Kreativer immer mehr internationale Modelabels niederließen, wie sich Gleichförmigkeit ausbreitete und das Unkonventionelle und lustvoll Schäbige verdrängt wurde. Dabei war es gerade das Unangepasste, was „Mitte“ einst so reizvoll gemacht hatte. Mit der Kommerzialisierung stiegen die Mietpreise, und immer mehr Touristen kamen – „Reisegruppen in lila Blousons“ –, die für einen Hutladen mehr Fluch als Segen waren.

Bennett mit Freundin und eigenen Kreationen um 1999. Foto © Privat / Knesebeck Verlag

Bennett mit Freundin und eigenen Kreationen um 1999. Foto © Privat / Knesebeck Verlag

Fiona Bennett war Teil einer Szene, die unbeschwert von der Last der Geschichte feierte und experimentierte und die nach dem Mauerfall einen radikalen Chic entwickelte, der seinesgleichen suchte. Bis zu diesem geschichtlichen Wendepunkt war die Berliner Off-Szene – in der Sicht Fiona Bennetts – noch sehr dem Kunstgewerbe verpflichtet. Doch plötzlich war Westberlin nicht mehr die insulare Frontstadt des Kalten Krieges, und der einsetzende Zuzug von Künstlern und Intellektuellen brachte frischen Wind in die vereinigte Stadt. Wegweisend wurde für Fiona Bennett die Begegnung mit Lisa D., einer Aktionskünstlerin und Modeschöpferin aus Graz. Beide zusammen bildeten sieben Jahre lang ein Mode-Duo, das mit verrückten Einfällen die Szene belebte. Berlin brauchte neue Ideen, es suchte international Anschluss, und neue Einfälle wurden gefeiert.

Für Fiona Bennett ist der Hut auch ein Kunstobjekt und auf jeden Fall für die Inszenierung des Alltags unentbehrlich. Diese Einstellung half bei einer Auseinandersetzung mit der Berliner Handwerkskammer, die ihr im September 1990 das Entwerfen und die Anfertigung gewerblicher Kopfbedeckungen für Damen untersagen wollte, weil sie nicht in der Handwerksrolle eingetragen war. Kurzerhand erklärte Fiona Bennett ihre Kreationen zu Kunstobjekten und unterlief so die bürokratische Reglementierung. Wenige Jahre später wurde sie von Vivienne Westwood, die damals an der Berliner Hochschule der Künste lehrte, mit der Bestellung zur „Hutbeauftragten“ geadelt.

Bennett-Kreation

Bennett-Kreation

Unbekümmert um politcal correctness betätigte  Fiona Bennett sich auf unterschiedlichen Feldern. Sie konzipierte Modenschauen für Geisterbahnen, warb für Zigarettenhersteller, stattete eine Jubiläumsfeier des Herrenmagazins „Playboy“ aus und baute mit Hammer und Zange feuerfeste Bühnenkostüme für die brachialen Auftritte der Gruppe Rammstein. Im Jahr 2012 kehrte sie „Mitte“ desillusioniert den Rücken und betreibt heute im alten Westen ein Geschäft, dessen Werkstatt durch ein großes Schaufenster von außen aus einsehbar ist.

Blick ins Atelier

Blick ins Atelier

Niedergeschrieben wurde der Text in lockerem Erzählton von Eva Sichelschmidt, einer Freundin Fiona Bennetts. Das Buch ist sorgfältig gestaltet und von angenehmer Haptik. Die Grundfarben des Leineneinbandes – gelb, weiß und schwarz – werden liebevoll in den drei Lesebändchen wiederaufgenommen. Die vielen Fotos und Illustrationen ergänzen den Text nicht nur, sondern lassen sich als eigenständige Bildgeschichte lesen. Etliche Bilder stammen von Joachim Gern, der das Überdrehte und Fröhliche der Akteure und Aktionen einfängt.

Das Buch ist lesenswert, auch weil man viel über die notwendigen Bedingungen für Kreativität erfährt.

Fiona Bennett mit Eva Sichelschmidt: Vom Locken der Federn. Ein Leben als Modistin – Muse – Stilikone. München, Knesebeck, 2013. 224 S. 100 meist farb. Abb. ISBN 978-3-86873-608-3.

Text  © Rose Wagner
Fotos,  soweit nicht anders angegeben © Rose Wagner
Überarbeitete Fassung der Erstveröffentlichung vom 25.07.2013 auf Netzwerk Mode Textil