„Trading Style – Weltmode im Dialog“
Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main     > 08.11.2012 ‒ 27.10.2013

Ethnologische Museen haben es heute schwer. Rituelle Masken, Lippenpflöcke und Penisschmuck ziehen kaum noch Besucher an. Was früher Menschen zum Staunen brachte, lockt heute nur noch wenige in ein Völkerkundemuseum. Wie lässt sich das ändern?Das Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main schlägt mit der Ausstellung „Trading Style – Weltmode im Dialog“ einen ungewöhnlichen Weg ein. Mit ca. 67.000 Objekten verfügt das Haus über eine beachtliche Sammlung. Der größte Teil erblickt nie das helle Licht einer Ausstellung. Doch nun sollen die ethnologischen Schätze Modedesignern zur Inspiration dienen und einen „Dialog zwischen alternativen Konzepten von Schönheit, Status und Wert“ anregen, wie es in der Presseankündigung heißt. Die Museumsleiterin Clémentine Deliss lud vier Designer internationaler Lifestyle-Labels für mehrere Wochen in das neugeschaffene „Weltkulturen Labor“ ein. Sie erhielten Zugang zum Depot und konnten die Ressourcen des Museums nutzen.

Das Plakat zur Ausstellung ist pikant, witzig oder irritierend, je nach Lesart. Zu sehen sind eine junge, weiße, blonde Frau im Lendenschurz mit blankem Busen und ein junger dunkelhäutiger Mann in westlicher Freizeitkleidung.

Ausstellungsplakat. Foto © Weltkulturen Museum

Ausstellungsplakat.
Foto © Weltkulturen Museum

Es ist ein Foto des österreichischen Fotografen Gert Chesi aus dem Jahr 1967, aufgenommen in Uganda, wo damals eine Hippie Community lebte. In den 1960er Jahren fielen die Hippies auch durch ihren bunten Ethno-Mix auf. In der Couture wurde Yves Saint Laurent mit seiner „Collection Africaine“ aus dem Jahr 1967 stilbildend für den Ethno-Look. Heute sind weltweit auf den Straßen der Großstädte folkloristische Stil-Mischungen präsent.

Ethnologische Schätze versus Hightech-Modedesign

Die künstlerische Leitung der Ausstellung oblag Teimaz Shaverdi, der als langjähriger Betreiber einer Avantgarde-Boutique über ein besonderes modisches Gespür verfügt. Er stellte Objekte aus dem Depot nach ausschließlich ästhetischen Kriterien zusammen, was hier und da Stirnrunzeln hervorrief. Die Hüte, Taschen, Schuhe und Schmuckstücke aus aller Welt sind wunderschön anzusehen. Faszinierend, wie sich die Formen über Kontinente hinweg entsprechen.

Ausstellungsansicht. Foto © Rose Wagner

Ausstellungsansicht. Foto © Rose Wagner

Teimaz Shaverdi wählte auch die Modelabels aus. Ausschlaggebende Kriterien für eine „Residency“ waren Street-Style-Ausrichtung, Verwendung neuartiger und hochwertiger Materialien, Wertschätzung von Handwerklichem sowie Hightech-Designprozesse. Die getroffene Auswahl ist auch als Statement gegen Wegwerfware und die Dominanz globaler Modeketten zu verstehen. Die in der Ausstellung vertretenen Designer sprechen eine subkulturelle Klientel mit Hang zur expressiven Selbstdarstellung an. Die neuen Kollektionen werden virtuell präsentiert und die Modegüter über das Internet vertrieben. Produziert wird auf Bestellung und gegen Vorkasse. Eine solche Mode hat ihren Preis.

CassettePlaya http://cassetteplaya.com/

Das Label der Londoner Designerin Carrie Munden tragen prominente Musiker wie M.I.A., Rihanna und Kanye West. Im CassettePlaya-Universum vermischen sich Surrealismus und Post-Punk-Elemente. Die Kleidung ist androgyn. Während ihrer „Residency“ befasste Carrie Munden sich mit männlichen Initiationsritualen und der Beibringung schmückender Körpernarben, der Skarifizierung. Ein von ihr produzierter Film zeigt das in blutigem Detail. Zu sehen sind zusammengeschnittene Szenen aus einem alten ethnologischen Dokumentarfilm über Neuguinea mit aktuellen Aufnahmen aus einem englischen Tattoo-Studio.

Seidenshirts von CassettePlaya. Foto © Wolfgang Guentzel / Weltkulturen Museum

Seidenshirts von CassettePlaya. Foto © Wolfgang Guentzel / Weltkulturen Museum

Heiler aus der Kapprovinz um 1930 und Modelle von CassettePlaya. Fotomontage © Alis Pelleschi / Weltkulturen Museum

Heiler aus der Kapprovinz um 1930 und Modelle von CassettePlaya. Fotomontage © Alis Pelleschi / Weltkulturen Museum

Buki Akib http://www.bukiakib.com/

Die gebürtige Nigerianerin Buki Akib wuchs in England auf. Sie lässt in Nigeria und Großbritannien produzieren, wo sie auch ihre Herrenmode an den Mann bringt. Ihre Entwürfe sind betont maskulin, fast wuchtig, und werden durch metallisch glänzende Elemente gebrochen. Diese textilen Körperinszenierungen wirken archaisch und wild und dabei doch urban lässig. Der großstädtische Häuptling in London oder Lagos sieht darin sicherlich umwerfend aus.

Design von Buki Akib. Foto © Takahito Sasaki / Weltkulturen Museum

Design von Buki Akib. Foto © Takahito Sasaki / Weltkulturen Museum

Junger Mann mit Tanzschmuck, Kapprovinz um 1930, und Strickhose von Buki Akib. Fotomontage © Milly Kellner / Weltkulturen Museum

Junger Mann mit Tanzschmuck, Kapprovinz um 1930, und Strickhose von Buki Akib. Fotomontage © Milly Kellner / Weltkulturen Museum

P.A.M. http://www.perksandmini.com/

Das Label des Designer-Paars Misha Perks Hollenbach und Shaun Mini Toohey ist in Australien seit einem Jahrzehnt etabliert. P.A.M. lässt in regionalen Manufakturen in Indonesien, USA und Australien produzieren. Bedient wird hauptsächlich eine australische Kundschaft. Während der „Residency“ entstanden Modelle mit klarer grafischer Musterung.

Links: Frau im Totenkleid, Thailand. Foto © Hermann Schlenker, 1964/65. Rechts P.A.M. 2012. Fotomontage Max Doyle

Links: Frau im Totenkleid, Thailand. Foto © Hermann Schlenker, 1964/65. Rechts P.A.M. 2012.
Fotomontage Max Doyle / Weltkulturen Museum

Modell von P.A.M. Foto ©  Wolfgang Guentzel / Weltkulturen Museum

Modell von P.A.M. Foto © Wolfgang Guentzel / Weltkulturen Museum

A Kind of Guise http://akindofguise.com/

Hinter dem wortspielerischen Namen des Labels (Guise = Guys) verbirgt sich eine Gruppe junger Leute aus den Bereichen Design, Kunst und Musik, die sich 2009 in München zusammenfanden. Sie entwerfen Kleidung für Männer und Frauen, die unprätentiös und doch cool ist. Alles wird in Deutschland produziert. Im Oktober 2012 eröffneten sie einen Laden in München, der in der New York Times Erwähnung fand. Ein Markenzeichen von AKOG sind ihre prägnanten Digitaldrucke. In Frankfurt ließen sie sich von Kultmasken anregen, deren Muster abgezeichnet, digital bearbeitet und dann in einer kleinen Spezialdruckerei auf Stoff übertragen wurden.

Maske aus Melanesien und Design von A Kind of Guise. Foto © Wolfgang Guentzel / Weltkulturen Museum

Maske aus Melanesien und Design von A Kind of Guise.
Foto © Wolfgang Guentzel / Weltkulturen Museum

Zwiespalt und Dialog

Die Ausstellung ist sehenswert und macht Spaß, sie ruft jedoch auch zwiespältige Gefühle hervor. Ist es vertretbar, Kultobjekte fremder Völker Lifestyle-Labels zur Verfügung zu stellen, um deren Interesse an vermarktungsfähigem Exotischen zu bedienen? Handelt es sich gar um eine Spielart neo-kolonialer Plünderung? Ist es eine Kommerzialisierung von ethnologischen Schätzen? Man kann die Sache auch anders sehen. Warum sollen Sammlungsstücke im Depot verstauben? Schon immer haben sich Modeschöpfer von Kunstwerken und dem Exotischen anregen lassen. Es ist erstaunlich und manchmal geradezu überraschend, wie die Designer in Frankfurt die alten Objekte in eine heutige Modesprache umgesetzt haben. Manche ihrer Modelle wirken sogar kurioser und exotischer als ihre Vorbilder aus der Sammlung.

Die Designer mussten sich vertraglich verpflichten, dem Museum jeweils einen Prototyp ihrer Werke, die während der „Residency“ entstanden, zu überlassen. So kann vielleicht der begonnene „Dialog“ produktiv  weitergeführt werden.

Text: © Rose Wagner
 Fotos: © Max Doyle, Wolfgang Guentzel, Milly Kellner, Alis Pelleschi, Takahito Sasaki, alle: Weltkulturen Museum sowie Rose Wagner
Erstveröffentlichung am 03.09.2013 in Netzwerk Mode Textil